Nie wieder ist jetzt: in Wandlitz mahnten 120 Bürgerinnen und Bürger

Am 9. November 1938 brannten Synagogen und andere jüdische Einrichtungen im Deutschen Reich. Die aktuelle politische Situation, in der ein Rechtsruck in der Gesellschaft um sich greift, macht das Gedenken wichtiger denn je.

In Wandlitz: Gedenken an die Novemberprogrome; Bildnachweis Melanie Brauchler

Zu einer Menschenkette mit Lichtern vor dem Rathaus Wandlitz hatten die Initiativen Wandlitz zeigt Haltung, OMAS GEGEN RECHTS, Heimat- und Kulturverein e.V. und VVN-BdA am nachmittags des 9.11. aufgerufen.

 

Mehr als 120 Bürger:innen waren gekommen und hörten die mahnenden Worte der Rednerinnen, Ulrike Fuß und Andrea Schneider für die „Omas gegen rechts“, Eliot Seeliger für Wandlitz zeigt Haltung, Josie Rücker für Heimat- und Kulturverein e.V. und Isabelle Czok-Alm für VVN-BdA Uckermark-Barnim, und gedachten in bewegter Stimmung den Menschen, die getötet, gedemütigt, verhaftet, misshandelt, vergewaltigt und deren Geschäfte und Wohnungen zerstört wurden.

 

Das Gedenken an diesem Tag gilt den Opfern der Novemberprogrome 1938 – nie wieder ist jetzt – Die aktuelle politische Situation, in der eine rechtsextreme Partei nach der Macht greift, macht dies wichtiger denn je.

Menschenkette mit Lichtern zum Gedenken der Opfer am 9. November 1938, Bildnachweis Marco Scafaro

1300 Tote – nicht 36!

oder warum der 9. November ein Gedenktag in Deutschland sein sollte, aber niemals ein Feiertag…

 

Der 9. November ist ein bedeutsames Datum in der deutschen Geschichte, das mit zahlreichen historischen Wendepunkten verbunden ist. Von der Revolution im Jahr 1848 über das Ende des Ersten Weltkriegs 1918 und die Hyperinflation von 1923 bis hin zum Mauerfall 1989 häufen sich an diesem Tag wichtige Ereignisse. Nach der Wiedervereinigung wurde der 9. November als Nationalfeiertag in Erwägung gezogen.

Gleichzeitig ist der 9. November auch mit einem der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte verbunden. Er markiert den Höhepunkt der Novemberpogrome von 1938, die beschönigend als „Reichskristallnacht“ bezeichnet wurden und werden. Dieses Datum markiert den Ãœbergang von der Diskriminierung zur offenen Verfolgung der jüdischen Bevölkerung durch das nationalsozialistische Regime, die schließlich in den industriell betriebenen Völkermord mündete.

Der Leiter der Reichssicherheitspolizei, Reinhard Heydrich, meldete dem preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring am 11. November 1938 zunächst 36 Todesfälle und 36 Schwerverletzte unter der jüdischen Bevölkerung des Deutschen Reichs. Ein Geheimbericht des Obersten Parteigerichts sprach im Februar 1939 dann bereits von 91 Toten. Dennoch wurde die Zahl 36 viele Jahre lang in der Literatur als endgültige Opferzahl weitergegeben und selbst von Wissenschaftlern immer wieder abgeschrieben. Mittlerweile ist bekannt, dass in der eigentlichen Pogromnacht etwa 400 Menschen ermordet wurden.

Bis heute wird über die Ereignisse der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in Deutschland teilweise nicht vollständig informiert.

In dieser Nacht wurden mindestens 1406 Synagogen und jüdische Betstuben niedergebrannt oder vollständig zerstört. 50.000 Juden wurden deportiert und rund 1.300 Todesopfer sind tatsächlich direkt auf Aktionen infolge dieser Schreckensnacht zurückzuführen.

Ein großer Teil dieser Opfer werden bis heute nicht als „Holocaustopfer“ geführt.

Etwas über 120 Menschen haben heute mit uns eine Menschen- und Lichterkette vor dem Rathaus Wandlitz gebildet und mit uns gemeinsam aller Opfer dieser schicksalhaften Nacht und derer, die daraus noch resultierten, gedacht.




Verfasser:in:
Marco Scafaro, Ortsbeiratsmitglied Zerpenschleuse, Heimat- und Kulturverein e. V., Wandlitz zeigt Haltung"

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