Wie machen´s die Nachbarn – Leitbild oder Strategie 2030
Arne Krohn, Baudezernent von Neuruppin, im Interview mit Stefan Woehrlin Neuruppin hat schon 2008 eine Entwicklungsstrategie bis 2020 erarbeitet.
Woher kam die Initiative schon 2014 das Konzept bis 2030 fortzuschreiben?
Neuruppin hat schon Mitte der 90er ein Leitbild mit der Perspektive 2006 entwickelt. Auslöser war unsere Teilnahme an der Europäischen Konferenz über zukunftsbeständige Städte und Gemeinden in der dänischen Stadt Aalborg, vgl. Charta von Aalborg. Wir wollten in der Stadtentwicklung unabhängiger von dem Reflex der Politik werden, in Legislaturperioden zu denken.
Stadtentwicklung braucht langfristige Konzepte und Visionen, die kontinuierlich überprüft oder fortgeschrieben werden müssen. Fortgeschrieben haben wir die Konzepte für 2015, 2020 und jetzt für 2030, aber grundsätzlich bleibt der rote Faden, der uns zur Nachhaltigkeit verpflichtet. Wir achten auf Klimaschutz, gute Mobilität und sind sehr darauf bedacht, unseren Siedlungsraum nicht weiter in die Landschaft auszudehnen. Die Initiative für den Prozess kam hauptsächlich aus der Stadtverwaltung.
Wie sind Sie das Verfahren angegangen?
Wir haben uns externer gutachterlicher Unterstützung und der Fachkompetenzen der Verwaltung bedient und mit allen Dezernaten in übergreifenden Klausuren grobe Zielstellungen entwickelt und dann den Kontakt zur Politik und zur Bevölkerung gesucht. Ich hätte mir da allerdings eine stärkere kontinuierliche Beteiligung der Bürgerschaft gewünscht.
Welche neue Erkenntnis hat das Verfahren mit sich gebracht?
Dass es sich bewährt hat. Wir nutzen unser integriertes Stadtentwicklungskonzept, z.B. um viele Förderprogramme anzusprechen. Wir müssen nur noch in die Schublade greifen. Vor allem aber hat das Verfahren ein großes Einvernehmen im öffentlichen und politischen Raum ergeben.
Die Kommunalpolitik bedient sich bei Wahlen meist auch einzelner Bausteine des Konzeptes.
Welche verbindlichen Maßnahmen sind aus dem Verfahren hervorgegangen? Wie wurden diese scharfgeschaltet?
Wir haben zentrale Schlüsselvorhaben definiert, die sich im Haushaltsplan und in Fördermittelanträgen festigen. Verbindliche Festsetzungen für das Verwaltungshandeln sind sonst nur schwer möglich. Der Rest ist politisches Tagesgeschäft, in dem es dann allerdings auch immer mal wieder zu Änderungen oder zusätzlichen Projektideen kommt.
Was hat aus Ihrer Sicht gefehlt und müsste jetzt nachgeschaltet werden?
Ich würde mir eine größere Stringenz wünschen, es geht nicht immer alles gleichzeitig. Auf Visionen kann man sich schnell einigen, schwierig wird es bei einer klaren Priorisierung der einzelnen Maßnahmen.
Wie wird das Leitbild bei den Bürgern angenommen?
Wir hatten größere Bürgerversammlungen. Die Breitenwirkung ist so aber noch nicht eingetreten. Ich sehe die Strategie aktuell eher als ein Instrument zwischen Verwaltung und Politik mit selektiver Beteiligung der Öffentlichkeit. Aber wir planen, das mit anderen Techniken zu verbreiten. Nachdem wir in das Programm „Meine Stadt der Zukunft“ aufgenommen wurden, wollen wir in einem leerstehenden Kaufhaus im Zentrum in eine Denkfabrik einladen. Dort soll ein offener Prozess stattfinden. Corona hat uns auch gelehrt, Veranstaltungen mit Livestream und Online- Umfragen durchzuführen. Das wollen wir ausbauen und die Einwohner zu einem offenen Prozess einladen.
Was können Sie der Gemeinde Wandlitz für den anstehenden Leitbild-Prozess raten?
Ich finde es nicht gut, dass im jetzigen Landesentwicklungsplan auch an vielen kleinen Orten Siedlungserweiterungen ermöglicht werden. Es sollten vorhandene Siedlungsschwerpunkte genutzt und nicht die Landschaft zersiedelt werden. Ich wäre da an Ihrer Stelle sehr vorsichtig. Jeder zusätzliche Einwohner bringt zwar Landeszuweisungen, aber ich würde mich auf vorhandene Strukturen beschränken.
Neuruppin hat auf einer Fläche von 300km² ca. 31.000, Wandlitz auf 164 km² ca. 22.000 Einwohner*innen
Verfasser:in:
Stefan Woehrlin