Gedanken zur Diskussion um das Ãœbergangswohnheim in Klosterfelde

„Ach“, sagte die kleine Maus, „die Welt wird enger mit jedem Tag. Nun bin ich schon im letzten Zimmer und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.“ – „Du musst nur die Laufrichtung ändern“, sagte die Katze und fraß die kleine Maus. Viele Menschen erfahren ihr Leben so, wie Franz Kafka das Schicksal der kleinen Maus beschrieben hat. „Unser großer Schatz sind Bürgerinnen und Bürger mit Zivilcourage!“, meint Peter Dudyka (katholischer Diakon, Ortsvorsteher Wandlitz und Mitglied Runder Tisch Willkommen) und berichtet über die Erfahrungen aus dem OT Wandlitz

Die Welt wird immer enger und an vielen Orten unfreier,

dies erfahren Menschen in ihren Lebensräumen und finden keinen Ausweg für sich:

vor sich die Sinnlosigkeit, hinter sich die Droge,

vor sich die Einsamkeit, hinter sich den Alkohol,

vor sich die Armut, hinter sich die Verzweiflung,

vor sich den nahen Tod, hinter sich KEINEN Glauben.

 

Wohin sollen diese Menschen noch fliehen. Was ist schlimmer, in die Falle zu geraten oder von der Katze gefressen zu werden? Vor sich die Falle und hinter sich die Katze ist ein Teufelskreis, aus dem es kein Entrinnen gibt. Die Welt ist voll von solchen menschlichen Schicksalen. Und als ob das nicht schon reichen würde, kommen ganz andere Schicksale dazu – auf uns zu: Flucht, Vertreibung, Verfolgung.

Wie soll man darauf reagieren?

Tore, Fenster, Landes – und Europagrenzen schließen? Manche denken, dies wäre die Lösung. Dem ist aber nicht so, denn die Not findet immer einen Weg bis vor unsere Haustür! Wer mit offenen Augen und Herzen lebt, der kann sich der Not vieler Menschen nicht verschließen. Da steht der Staat in der Pflicht und da stehe ich als Einzelner, wir als Gemeinschaft stehen in der Pflicht. Ich denke nicht nur an Geflüchtete, die bei uns Asyl suchen. In der Falle sitzen auch: die Armen, Trauernden, Ohnmächtigen, Ausgenutzten, von der Welt nicht Verstandenen.

Als Christ frage ich oft auch meinen Glauben an. Wie soll ich reagieren? Was muss ich tun, damit ich nicht vergebens im Heute lebe? Wie würde Jesus wohl heute reagieren? Vielleicht würde ihm die ganze Diskussion um die „Fremden in unserem Land“, um weitere Übergangswohnheime im Barnim und anderswo innerlich aufstoßen, ihn anwidern – angesichts der allgemeinen Heuchelei der Satten und gut Versorgten, der brüllenden Massen. Vielleicht wäre er auch traurig und enttäuscht, unter ihnen auch viele seiner Schwestern und Brüder im christlichen Glauben zu sehen, zu hören – brüllen zu hören. Vielleicht würde er auch sagen: Selig jene, die den Verfolgten Asyl, den Flüchtlingen Heimat, den Schwerkranken Beistand, den Notleidenden Hilfe anbieten.

Ãœbergangswohnheim in Wandlitz seit 2012

Als wir in Wandlitz im November 2012 von der geplanten Eröffnung eines Übergangswohnheimes im Ortsteil Wandlitz erfuhren, da war der „Goldener Löwe“ zur Informationsveranstaltung gerammelt voll.

Versammelt waren Hörende und Brüllende, darunter auch viele, die gar nicht in der Wandlitzer Gemeinde wohnten. Von Ängsten um die Sicherheit von Frauen und Kindern, vom Wertverfall der eigenen Grundstücke, über Kriminalität der Ausländer und über vieles mehr wurde gesprochen. Als einer der noch gerade am Eingang einen Stehplatz erwischte, nahm ich die Sorgen um Sicherheit für Menschen im Wohngebiet sehr ernst. Das waren ehrliche Fragen, die es zu beantworten galt. Niemand konnte aber an diesem Abend und den weiteren Wochen eine Antwort geben, die alle beruhigte.

Die Zeit von nun 10 Jahren ÃœGW in Wandlitz gab die Antworten:

Niemand muss um seine Sicherheit und um den Wertverfall des Grundstücks fürchten. Mittlerweile sind auch fast alle Baulücken im Wohngebiet geschlossen – weil Menschen in die angrenzenden Straßen zogen. Und dann gab es aber auch die lauten Rufe: „Das sind alles Leute, die unser Sozialsystem missbrauchen wollen. Es sind unsere Steuern, die da verschwendet werden.“  Seit 1977 im Ortsteil Wandlitz wohnend, kannte ich einige unter denen, die sich diesbezüglich äußerten. Sie hatten es für sich vorgezogen – anstatt einer sozialpflichtigen und steuerpflichtigen Arbeit nachzugehen – lieber die Vergünstigungen eines Sozialsystems zu missbrauchen: Eigentlich arbeitsunfähig mit ärztlichem Befund – doch für Schwarzarbeit und Steuerbetrug war noch viel Arbeitskraft vorhanden.

An diesem Abend im „Goldenen Löwen“ waren aber auch Einwohner, die am Abend immer noch viele Fragen hatten – aber dabei nicht sitzen -bzw. stehen blieben. Sie zeigten damals Zivilcourage im Anpacken der Aufgaben, die als Wandlitzer Gesellschaft vor uns standen. Daraus entstand der Runde Tisch Toleranz – heute Runder Tisch Willkommen. Er war einer der ersten im Land Brandenburg und hat bundesweit (und darüber hinaus) auf sich aufmerksam gemacht. Beispielhaft wurde das freiwillige Engagement in Wandlitz erlebbar – ganz besonders im Innenleben eines ÜWG. Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt. Zuerst galt es auch, unsere Einwohner und die hiesige Politik mitzunehmen. Es dauerte auch nicht allzu lange und das ÜWG wurde von der breiten Gesellschaft toleriert. Um aber ein gutes Miteinander zu erreichen, muss der Fremde spüren, dass er in seiner Notlage bei uns willkommen ist. Als auch dieser Schritt vollzogen wurde, blieben wir zwar weiterhin beim Namen RT Willkommen – doch es geht schon lange nicht mehr nur darum.

Integration stand auf der Agenda unserer Arbeit – und verlangt auch weiterhin all unsere Kraft. Monat für Monat versammeln sich Engagierte zu den Treffen des RT. Es sind Realisten, die die Probleme kennen, über die so viel hinsichtlich des geplanten ÜWH Klosterfelde gesprochen wird. Es sind keine neuen Probleme. Sie begleiten uns all die Jahre. Die Engagierten am RT können die wahren Probleme nicht einfach wegzaubern. Was wir können, ist,  Zivilcourage zu zeigen, wenn es notwendig ist, weil Menschen in Not unsere Hilfe brauchen. Die zeigt sich für mich im Anpacken der vor uns stehenden Aufgaben. Eine gute Kommunikation ist notwendig. Nicht ein Gegeneinander, sondern ein Miteinander ist überlebenswichtig. Denn die Not in der Welt wird nicht weniger. Je besser und einvernehmlicher wir das Heute meistern, umso besser sind wir für Zukünftiges vorbereitet.

Unser großer Schatz sind Bürgerinnen und Bürger mit Zivilcourage und das Ehrenamt!




Verfasser:in:
Peter Dudyka, katholischer Diakon, Ortsvorsteher Wandlitz und Mitglied Runder Tisch Willkommen

Abonnieren Sie den

W.Punkt-Newsletter

Immer auf dem Laufenden bleiben und direkt im eigenen Postfach.