Frohe Weihnacht
Andreas, 66, schlendert die Wandlitzer Einkaufsmeile entlang und überlegt, was er seinen Enkeln zu Weihnachten kaufen soll. Er findet Weihnachten schon ganz gemütlich, der Einkaufsstress vorher aber nervt ihn. Außerdem hat er nicht mehr so viel Geld wie früher, was nicht nur an daran liegt, dass er seit einem Jahr Rentner ist.
Die Straßen der Gemeinde sind in diesem Jahr noch einmal festlicher geschmückt. Für die besinnliche Zeit soll es dem deutschen Volke an nichts fehlen. Der kleine Mann soll es gut haben in der neuen Zeit.
Für die Lütte so Puppenkram und Prinzessinnenzeug, das ist einfach. Der Große aber wünscht sich einen elektronischen Panzer, der echte Minigranaten verschießt. Alles ganz ungefährlich, sicher, aber irgendwie hat Andreas Bedenken. Klar, die Welt ist aus den Fugen, die Russen stehen an der polnischen Grenze, aber geht das nicht irgendwie doch zu weit mit der militärischen Nationalerziehung schon in der Grundschule? Haben die nicht gesagt, dass sie Deutschland befrieden wollen und das Volk vereinen?
Andreas geht, wenn er Zeit hat, gerne den Umweg unten am Wandlitzsee entlang. Jetzt Anfang Dezember sind da nur noch Enten und Schwäne und eben dieser herrliche Ausblick auf das Wasser. Haben doch die Sozis den ganzen See seinerzeit an einen Typ ausm Westen verhökert. Idioten. Naja, damit ist ja jetzt Schluss, abgewählt, genauso wie die linksgrünen Ampelspinner. Was sind die mir mit ihrer Umwelt auf den Puffer gegangen. Klimawandel, Meeresspiegel, Erderwärmung, alles Quatsch. Das sind normale Schwankungen, das regelt die Natur von alleine. Es gibt genug Professoren, die das in den neuen Medien bestätigen. Lügenpresse? Das war mal. Auch der große Waldbrand, der halb Waldheim abfackelte, hat doch nichts mit Klima und so zu tun, passiert halt.
Auf dem Parkplatz vor dem Freibad fällt sein Blick auf das Restaurant am Wandlitzsee. Hier gabs noch vor zwei Jahren die beste Pizza weit und breit. Haben sie dichtgemacht. Die Kanaken da hatten doch die Partei, also damals noch AFD, einfach so ausgeladen und sich mit dem linken Gesocks von „Wandlitz zeigt Haltung“ oder wie die hießen, eingelassen. Na geschieht den Nudelheinis recht, waren ja eh keine echten Italiener. Jetzt gibts da wieder deutsche Hausmannskost, auch lecker.
Vielleicht wäre ein Buch, so was Spannendes irgendwie, von mir aus auch mit Panzern, das Richtige für den Jungen, denkt er und überquert die Straße.
Gemütlicher war die Buchhandlung früher schon. Aber wenn die Brauchler mit diesen Spinnern von „Wandlitz zeigt Haltung“ zusammen ihr Literaturfest macht, muss sie sich nicht wundern, dass ihr nach dem Sieg dann halt gekündigt wurde. Jetzt gibt es da jede Menge Abenteuerliteratur, auch die Landserhefte von Opa sind wieder erhältlich und „Mein Kampf“ als deutsches Kulturgut steht auch wieder im Regal.
Ein bisschen skeptisch ist Andreas aber schon, schließlich ist er immer noch kritischer Geist und Querdenker, auch wenn er jetzt Rentner ist.
Ist der Dexit wirklich gut für Deutschland? EU abschaffen?
Sein Sohn, immerhin jetzt Leiter der Ortsgruppe Wandlitz, sagt, dass Deutschland schon immer ein starkes Land war, besser als die sogenannten europäischen Nachbarn und dann müssen wir die nicht mehr alle mit durchfüttern und dass es uns dann allen besser gehen wird und Globalisierung nutzt eh nur den Chinesen.
Naja, vorerst steigen die Mieten mal wieder und die Rente sinkt um 10 Prozent. Wegen der aktuell schwierigen Lage, meint mein Sohn und sein Freund, der Bürgermeister.
Apropos Bürgermeister, der Borchert hat zwar, ich glaube 2023, das Abwahlbegehren, initiiert vom jetzigen Ortsgruppenleiter in Klosterfelde, übrigens auch ein Andreas, überstanden, aber drei Jahre später entnervt aufgegeben und ist weggezogen. Dann kam kurz der Typ, der auch mal bei den Linken war, hat gut kooperiert, war aber nach dem Sieg aufgrund seiner Vergangenheit natürlich nicht mehr tragbar.
Man muss halt Opfer bringen, denkt Andreas, während er am „Mister Dinh“ vorbeiläuft. Das gibt es noch.
Die Partei ist doch überhaupt nicht gegen Ausländer, auch der Dönermann durfte schließlich bleiben. Die ganzen anderen Kopftuchmädchen und Messermänner haben sich allerdings getrollt. Geldhahn zugedreht, Asylheim dicht gemacht und fertig.
Blöd nur, dass man kaum noch jemand findet, der die ganze Drecksarbeit macht, die Schule seiner Enkel wischt und gerade jetzt zu Weihnachten Pakete ausfährt.
Der von den Sozis erfundene Fachkräftemangel ist echt schlimm geworden. Keiner will mehr arbeiten. Deswegen wohl auch die 10 Prozent mehr Miete.
Auch die Grundschule in Schönwalde ist immer noch nicht fertig, kein Geld mehr da. Das hatte damals noch der Borchert mit seinen linksgrünversifften Spießgesellen angezettelt. Die hätten da auch einen guten alten Plattenbau hinstellen können, hat uns damals ja auch nicht geschadet. Aber nein, die Herren wollten einen zeitgemäßen, modernen Campus haben. Naja, siehste ja, was draus wird.
Immerhin wurde die Kegelbahn in Klosterfelde im Herbst fertig, mit Klimageldern, geht doch, urdeutsche Sporttradition.
Die Arbeitslosenzahlen sind ein bisschen zu hoch im Land, das ist ein Problem. Und die Inflation steigt immer weiter. Das wird sich aber im neuen Jahr alles ändern, weil es halt Zeit braucht, die gegen das Volk gerichtete Sozialpolitik der sogenannten Ampel zu revidieren. Das hat Bundeskanzler Höcke gesagt und mein Sohn meint das auch.
Es wird früh dunkel, denkt Andreas fröstelnd und schlägt den Rückweg ein, vorbei am hell erleuchteten Boris Pfeiffer Denkmal. Die Montagsqueerdenker von einst hegen und pflegen es vorbildlich. Spazieren müssen sie nicht mehr gehen, Ziel erreicht.
Die Geschenke für die Enkel kauft Andreas vielleicht doch online, ist billiger.
Zuhause angekommen, klemmt die Tür des heimatlichen Plattenbaus mal wieder und das Treppenlicht ist kaputt, seit Monaten. Kein Geld, keine Leute, sagt die Gesellschaft. Aber die Mieten erhöhen, die spinnen doch, grantelt Andreas vor sich hin.
Naja, das wird schon, Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden. Erstmal gemütlich Weihnachten feiern mit Sohn und Enkeln.
Vielleicht wird ja 2029 alles besser.
Versprochen hat es die Partei.