Future zu früh, zu alt

W-aufdenPunkt_W18_Kolumne_Otto_Megaphon

November 2022

 

Es war kühl und viel zu früh an diesem Freitag im September. Nur Menschen, die unter seniler Bettflucht leiden, konnten auf die Idee gekommen sein, um diese Uhrzeit eine Protestaktion anzumelden und dann auch noch die Erwartung hegen, dass da Leute ohne Schlafstörung erscheinen würden. Die beobachtende Dame aus dem Querdenkermilieu konnte und wollte sich ihren süffisanten Kommentar nicht verkneifen. „Na is ja ‘n voller Erfolg,
euer Freitach for Fjutscha, könnta stolz druff sein!“ Leider musste ich ihr vollumfänglich Recht geben.

Die Szenerie, die sich den grob geschätzt 13 Erschienenen bot, hatte auch viel ungewollt Ulkiges. Ein als Stimmungskanone sattsam bekannter älterer Herr skandierte in ein Puschel-Mikrofon selbst erdachte Reime und forderte die durchweg älteren Anwesenden launig auf, ihm nachzutun und danach ein eigens für diesen Anlass umgetextetes Wanderlied der 20er Jahre anzustimmen. Die so Angesprochenen blickten sich teils panisch um in der Hoffnung, dass noch jemand kommen möge, sich der Demo anschließen und die Peinlichkeit erträglich machen würde. Allein es kam niemand mehr und der Polizist sperrte routiniert die L100 für 20 Minuten Klimaprotest und die Autos fuhren einen Umweg über den Bahnhof Basdorf. Manche Kraftfahrer schimpften, einige fanden´s ok. Die meisten hörten Radio und bekamen von der großen Protestaktion wahrscheinlich gar nichts mit, schreckten höchstens kurz auf, als sie des bisher nie erblickten örtlichen Bahnhofes mit halbstündiger Hauptstadtanbindung ansichtig wurden.

Die ersten Polizisten rückten ab. Die übrigen Beamten waren immer noch klar in der Mehrheit. Einerseits war ihnen die Erleichterung anzusehen, diesmal ohne Konfrontationen mit schnöseligen SUV-Fahrern und von ihrer Mission berauschten jungen Wilden auszukommen, andererseits war ein leicht spöttischer Gesichtsausdruck der Staatsdiener ob der bizarren Szenerie nicht zu verkennen. Nach 20 Minuten war der kleine Spuk vorbei und alle Anwesenden trollten sich, froh, der erfolgreichen Aktion entronnen zu sein.

Ihr Engagement in allen Ehren, sollten sich ältere Menschen vielleicht andere Form des Protestes gegen die ignorante Welt überlegen und nicht Fridays for Future spielen. Vielleicht ist das auch ein Erklärungsansatz, warum die Jugend dieser Veranstaltung komplett fernblieb. Früh war es allerdings auch.




Verfasser:in:
Otto

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