Leben und arbeiten im Museumsdorf:

Die Wandlitzerin Sabine Wichmann von Leinenlust hat einen Sommer im Freilichtmuseum Klockenhagen auf dem Darß verbracht. Sie wohnte in einem kleinen Bauwagen und hatte ihre Leinenwerkstatt dabei, um dort zu nähen und ihr Handwerk zu erklären. WPunkt im Gespräch über ihre Erfahrungen.

WPunkt: Sabine, du bist mit deiner Werkstatt für fünf Monate in das Freilichtmuseum Klockenhagen eingezogen. Wie kam es dazu?

Sabine Wichmann: Ja, es war ein richtiger Umzug, denn ich habe meine Werkstattausrüstung eingepackt und dort im Museum alles aufgebaut. Alles was ich für „Leinenlust“ brauche musste ja mitkommen. Meine Nähmaschinen und der große Zuschneidetisch genauso wie meine schönen Stoffe, die Produkte aus Lausitzer Leinen und alles Zubehör. Dann noch ein zwei kleine Koffer für meine Unterbringung im Bauwagen.

 

Mein Mann und ich fahren seit Jahren gerne an die Ostsee und ich gehe mit meinen Leinenerzeugnissen auch gerne auf Märkte, sei es in Wandlitz auf dem Kunstmarkt um die Kirche herum, beim Erntefest vor dem Barnim Panorama oder auf diversen Weihnachtsmärkten. Die Märkte an der Ostsee auf dem Darß haben aber teilweise Regulierungen, die nur Ortsansässige zulassen. Da bekam ich den Tipp mit dem Freilichtmuseum Klockenhagen. Dort habe ich auf einigen Veranstaltungen ausgestellt, gut verkauft und die Menschen waren alle sehr zugewandt. Hat irgendwie alles gepasst. Dann hat mich das Museum angefragt: fünf Monate von Mai bis Oktober dort zu arbeiten und in einem Bauwagen zu wohnen. Ich war gleich Feuer und Flamme und wollte das Angebot annehmen. Nach kurzer Bedenkzeit und Regelung mit Zuhause habe ich zugesagt und für das Museum war das auch eine echte Bereicherung.

Kleiner Bauwagen im Museumsdort Klockenhagen, Bildnachweis: Sabine Wichmann
Schlafstatt im Bauwagen, Bildnachweis: Sabine Wichmann
Kalter Bollerofen im Bauwagen, Bildnachweis: Sabine Wichmann

WPunkt: Oha, ein kleiner Bauwagen, das war sicher eine Herausforderung. Und wie lief es mit dem Arbeiten Vorort?

 

Sabine Wichmann: Es war sehr kalt, dieses Jahr war es noch im Mai sehr kalt und der Bollerofen im Bauwagen hatte keine Freigabe vom Schornsteinfeger. Morgens war es dann 4 Grad kalt und ich wollte am liebsten gar nicht aufstehen.

 

Die haben einige kleine Bauwagen dort, die sie an Fahrradtouristen über rb&b vermieten, alle sind sehr klein, für zwei Personen ein Schlafplatz, einen Tisch und Stuhl. Die sanitären Anlagen sind etwa 150m entfernt und ich hatte nur eine kleine Kochplatte im Wagen. Es war schon sehr klein, sehr minimalistisch und auf die Dauer schon eine Herausforderung. Tagsüber hatte ich ja in der Leinenstube viel zu tun, auch dort war es anfangs sehr kalt, denn die alten Lehmbauten sind nicht isoliert und der Wind pfeift durch manche Ritze. Als der Frühling dann die Wiesen erblühen lies wurde es aber gemütlicher und ich konnte beim Frühstück Kühe, Pferde oder Schafe mit einem Maul voller Löwenzahn beobachten.

 

Die Verantwortlichen sind sehr nett, haben auf mich geachtet und sich um mich gekümmert und waren offen für meine Wünsche. Es wurde mir eine kleine Stube in einem Bauernhaus zur Verfügung gestellt, die ich nach meinen Vorstellungen einrichten konnte. Fünf Tage die Woche von 10-18 Uhr sollte ich in der Leinenwerkstatt nähen, es gab dafür kein Geld, aber ich konnte meine Erzeugnisse und die Lausitzer Leinenprodukte dort direkt verkaufen.

 

Ich hatte mich auch gut vorbereitet. Die sehr ländliche Umgebung brachte mich auf die Idee das Schürzenthema aufzugreifen. Also bot ich außer meinen diversen Taschen, Beuteln, Kissen auch unterschiedliche Schürzen an. Eine Bauernschürze nach alten Vorlagen, eine „Pipi Langstrumpfschürze“ in groß und klein für Mutter und Kind sowie für den Herrn eine Kochschürze aus Lausitzer Leinen. Bei der Schnittkonstruktion hatte ich professionelle Unterstützung von einer lieben Freundin. Die Herrenschürze wurde ein echter Renner genauso wie die Leinenfrotté Handtücher mit dem angenehmen Rubbeleffekt.

Herrenschürze natürlich aus Lausitzer Leinen, Bildnachweis: Sabine Wichmann
Kittelschürze nach altem Schnittmuster, Bildnachweis: Sabine Wichmann
Kittelschürze im Museumsgarten Klockenhagen, Bildnachweis Sabine Wichmann

WPunkt: Sind denn die Besucher des Museums am Handwerk interessiert?

 

Sabine Wichmann: Das hat mich sehr gefreut, denn es gab viele sehr interessierte Besucher den ganzen Sommer über, die auch gezielt zu mir gekommen sind.

 

Meine Tage waren also sehr ausgefüllt und die Familien und einzelnen Besucher suchten immer wieder das Gespräch nicht nur über das Nähen, die Leinenherstellung wurde in einem anderen Hause erklärt und auf mich dann verwiesen. Ganz allgemein gab es ein großes Bedürfnis zu reden und zu erzählen und meine Rolle war dann die der geduldigen Zuhörerin. Es waren fast zu viele Gespräche, denn ich kam mit dem Nähen gar nicht hinterher. Teils habe ich dann meinen freien Tag dazu genutzt, aber ein wenig Zeit um die Gegend zu erkunden wollte ich natürlich auch und einkaufen und mich selbst versorgen fiel ja auch noch an.

Sortiment in der Leinenwerkstatt, Bildnachweis: Sabine Wichmann
Sortiment in der Leinenwerkstatt, Bildnachweis: Sabine Wichmann
Sortiment in der Leinenwerkstatt, Bildnachweis: Sabine Wichmann

WPunkt: Dann warst du sicher eine kleine Attraktion? Hast du denn überhaupt vom Museumsbetrieb etwas mitbekommen?

 

Sabine Wichmann: Ja, in der Zeitung war ich mit der reißerischen Überschrift „Siebzigjähre lebt fünf Monate im Bauwagen“, mir kam es aber mehr auf das Handwerk an und das wird hier im Freilichtmuseum Klockenhagen wirklich toll und anschaulich dargestellt.

 

Im Lehmbackofen wird 5-mal wöchentlich leckeres Sauerteigbrot gebacken, Lehrgänge und Workshops wie Korbflechten, Schafschur oder der Schlepper-, Mühlen- oder Pflanzentag werden den ganzen Sommer über angeboten und Tiere gibt es natürlich auch.

 

Es sind 17 Arbeitskräfte Vorort, davon sind sieben festangestellt im Museum und ganzjährig tätig, die anderen zehn Arbeitskräfte gehen von November bis April in die Arbeitslosigkeit, das Museum macht eine Winterpause. Ohne die 28 engagierten Ehrenamtlichen wäre das alles jedoch gar nicht machbar. Das weitläufige Museumgelände bietet viele Höhepunkte, die Mitarbeiter leisten Enormes und die Besucher kommen für den ganzen Tag aus Rostock, der Umgebung und von weit weg sogar mehrfach.

Ausstellung in der Leinenwerkstatt, Bildnachweis: Sabine Wichmann
Ausstellung im Freilichtmuseum Klockenhagen, Bildnachweis: Sabine Wichmann

WPunkt: Kannst du so einen Aufenthalt weiterempfehlen?

 

Sabine Wichmann: Also es war sehr interessant und in jedem Fall eine tolle Erfahrung, aber auch sehr anstrengend im Freiluftmuseum Klockenhagen.

 

Für die Versorgung hatte ich mein Fahrrad dabei, bis in den nächsten größeren Ort waren es sechs Kilometer. Einkaufen konnte ich nur im Supermarkt, der bis 21 Uhr offen war. Es gab auch donnerstags einen Markt mit Fisch, Gemüse, Käse und Fleisch, alles von regionalen Anbietern in Ribnitz-Damgarten.

 

Der öffentliche Nahverkehr war eine echte Herausforderung, denn wenn ich mal montags aus Wandlitz zurückkam, gab es keinen Bus mehr von Ribnitz nach Klockenhagen. Die Strecke mit dem Koffer zu laufen war zu weit, also blieb nur ein Taxi. Wenn ich aller 3-4 Wochen freitags nach Hause gefahren bin haben mich oft Kollegen mit dem Auto mitgenommen, die auf dem Heimweg waren.  Auch die Internet- und Rundfunkverbindungen sind leider alles andere als flächendeckend.

 

Was meine Unterbringung im Museum betraf war der Bauwagen die kostengünstigste Variante. Das Museum ist mir finanziell entgegengekommen. Ferienwohnungen für einen so langen Zeitraum sind unerschwinglich. Oder es findet sich eine ungeahnte Alternative.

 

Fünf Monate Museumsdorf Klockenhagen waren eine tolle Erfahrung aber auch sehr anstrengend. Deshalb werde ich mein Abendteuer im nächsten Jahr nicht wiederholen. Bei einer kurzen Wochenendveranstaltung werde ich aber sicher wieder dabei sein.

 

Ich kann nur jedem empfehlen diesen Ort einmal aufzusuchen. Kinder und Erwachsene erleben echte Glücksmomente.

Mühle im Museumdorf Klockenhagen, Bildnachweis: Sabine Wichmann
Für`s leibliche Wohl wird gesorgt, Bildnachweis: Sabine Wichmann
Für`s leibliche Wohl wird gesorgt, Bildnachweis: Sabine Wichmann
Für die ganze Familie: Leben und altes Handwerk wie in früheren Zeiten erleben im Museumsdorf Klockenhagen, Bildnachweis: Sabine Wichmann

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