Ostfrauen*Salon: ein Format zum persönlichen Austausch unter ostsozialisierten Frauen

Brauchen wir mehr Kommunikation, mehr Miteinander und mehr Verständnis für einander? Ja, meinen Nicole Bogott und Isa Grütering und erklären im Gespräch mit WPunkt, warum sie das neue Format Ostfrauen*Salon in Wandlitz anbieten.

WPunkt: Wie muss ich mir das neue Format Ostfrauen*Salon vorstellen, was passiert dort?

Isa Grütering: Wir treffen uns mit den Frauen, die sich angemeldet haben, meistens in privaten Räumen, also z.B. bei mir zuhause. Jede Frau bringt etwas zu essen oder zu trinken mit. Das Gesprächsformat richtet sich ausschließlich an Frauen, die eine Ostsozialisation haben. Also im Osten geboren sind, oder junge Frauen, deren Eltern im Osten gelebt haben und die mehr über diese Zeit erfahren wollen.

 

Das Treffen dauert etwa vier Stunden mit einer Pause und anschließendem Ausklang beim Verspeisen der mitgebrachten Kleinigkeiten. Es beginnt mit einer Vorstellungsrunde, für die wir eigentlich nur zwei Leitfragen stellen: „Bin ich eine Ostfrau? Und wenn ja, warum?“. Die Antwort darf fünf Minuten
nicht überschreiten, soll aber auch nicht kürzer sein.

 

Meine Erfahrung mit dieser Vorstellung sind sehr gut, Frauen neigen oft dazu, sich nicht so hervorzutun, und die fünf Minuten werden ihnen lang. Das ist aber wichtig, denn es sind ja Gefühle angesprochen.

 

Nicole Bogott: Ich habe bereits an einem Ostfrauen*Salon teilgenommen und war von dem Format sehr begeistert. Nun wollen wir es als Pilotprojekt in Wandlitz durchführen. Bisher gibt es den Ostfrauen*Salon bundesweit, allerdings nur in größeren Städten. Bei Interesse würden wir das Format gerne langfristig auch in der Gemeinde etablieren.

 

Für das erste Treffen am 30. Oktober konnten wir als Unterstützer den Verein Herzenssache in Schönwalde gewinnen, in dessen Räumen das Treffen erstmals stattfinden wird. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön dafür!

WPunkt: Das hört sich sehr nach persönlicher Betroffenheit an. Wie steht es um den Persönlichkeitsschutz für die Beteiligten?

Isa Grütering: Ich habe schon sehr viele Salons durchgeführt, und ja, die Frauen berichten von ihrer persönlichen Betroffenheit. Das ist ein breites Feld von Stasi-Erfahrungen bis zu den oppositionellen Gruppierungen um die Montagsdemos. Das müssen jeweils auch die Zuhörerinnen aushalten. Im
Ostfrauen*Salon wird das in geschützter Umgebung möglich gemacht, ohne Wertung und Bewertung insbesondere auch nicht durch Westfrauen. Wir haben daher absolute Verschwiegenheit verabredet.

 

Es fließen auch schon einmal Tränen. Ich bin Coach und ständig auch in Weiterbildung, es ist mir sehr wichtig, dass ich bereits vor der Veranstaltung und vor allem im Nachgang weitere Gespräche anbiete.

 

Die Teilnehmerinnen sind zwischen 18 und 80 Jahre alt, meist allerdings so um die 40. Eine junge Frau wollte zum Beispiel etwas aus der Wendezeit erfahren, da ihre Eltern darüber nicht sprechen. Sie kam mehrfach zu den Abenden und dadurch haben schließlich doch auch ihre Eltern selber angefangen über die damalige Zeit mit ihr zu sprechen.

 

Für uns gibt es keine Stereotype, unterschiedlichste Frauen kommen hier zusammen. Es entsteht auch Akzeptanz und der Raum wird als safe-space angenommen.

 

Nicole Bogott: Im Rahmen des Salons baut sich zwischen den Teilnehmerinnen schnell Vertrauen auf. Die leitende Frage der Runde eröffnet viele Perspektiven und ermöglicht eine Vielfalt von Antworten. Die Erfahrungen und Aspekte sind sehr unterschiedlich, und sowohl das Erzählen als auch das aufmerksame Zuhören und Reflektieren wirken auf uns. Neue Gedanken, Erlebnisse und Erinnerungen tauchen auf, und durch das Gehörte verändert sich unsere Sichtweise auf die Zeit und auf eigene Erfahrungen.

 

Statistisch gesehen bestehen nach wie vor große Unterschiede zwischen Ost und West – sei es beim Renten- und Lohnniveau, bei Erbschaften und Besitzverteilung, der Lebenserwartung oder in Führungspositionen. Menschen aus dem Osten sind hier klar benachteiligt, und diese Fakten sind
gesellschaftlich in Politik und Wirtschaft oft nicht sichtbar.

 

Meine Hoffnung ist, dass realen Treffen, wie der Ostfrauen*Salon einen Austausch ermöglichen, der durch aufmerksames Zuhören geprägt ist, etwas, das im Alltag oft zu kurz kommt. Aus diesem Austausch kann ein echtes Miteinander entstehen, aus dem sich langfristig ein tragfähiges Netzwerk bildet.

Vertrauensvolle, sichere Atmosphäre beim Treffen der Ostfrauen, Fotocredit: Antje Gildemeister

WPunkt: Also verknüpft ihr mit dem Format keine einmalige Sache, sondern etwas Nachhaltiges?

Isa Grütering: Genau, wir haben im Nachgang zu den Treffen die verschiedenen WhatsApp-Gruppen, in die ich einlade. Das ist das, was Nicole mit Strukturen meint. Das Vernetzen findet damit ganz automatisch statt. Stellt man eine Frage nach Unterstützung in die WhatsApp-Gruppe, bekommt man sofort Hilfestellung angeboten. Das ist toll und offenbar verbindlicher als in anderen Gruppen. Hier gibt es regen Austausch von Jobgesuchen über Buchempfehlungen bis hin zu Veranstaltungstipps oder Wohnungsgesuchen.

 

WPunkt: Braucht es denn diese Einschränkung auf den Osten, Frauen sind ja auch allgemein von Ungerechtigkeit betroffen?

Isa Grütering: Doch, ich denke der Ostfrauen-Hintergrund ist besonders zu beachten. Meinem West-Ehemann fiel es erst wie Schuppen von den Augen, als wir mit Freunden im Urlaub waren. Es wurden viele Ostthemen diskutiert und er war der einzige Wessi. Anschließend meinte er: „Jetzt weiß ich endlich, wie du dich in Hamburg gefühlt hast. Einziger Unterschied: ich bin dann immer noch der Besser-Wessi!“. Es geht also auch immer noch um Selbstbewusstsein, Außendarstellung und Gesehen werden.

 

Wir wollen mit dem Ostfrauen*Salon hier eine Verbesserung ermöglichen.

 

Nicole Bogott: Sicher wäre es auch spannend, einmal einen Ost-West-Salon zu veranstalten – solche Formate gibt es bereits. Zunächst möchten wir jedoch den Ostfrauen*Salon hier in Wandlitz etablieren und hoffen auf reges Interesse.

 

Der RBB wird ebenfalls vor Ort sein, um dieses Begegnungsformat bekannter zu machen. Aber keine Sorge – interviewt werden nur wir Veranstalterinnen.

 

Einige Plätze sind zurzeit noch frei, also schnell anmelden!

 

Ostfrauen*Salon am 30. Oktober 2025 von 18 bis 22 Uhr in den Räumen von Herzenssache, Hauptstr.38, Wandlitz/Schönwalde

Ostfrauen*Salon bei einem Treffen in Berlin, Fotocredit: Antje Gildemeister

Zur Person: Isa Grütering – Gründerin des Ostfrauen*Salon

Sie ist eine echte Power-Frau: die 49-Jährige ist in Halle/Saale geboren, Mutter von 3 Kindern, in Bagdad, Leipzig und Sachsen-Anhalt aufgewachsen. Sie ist nicht nur in der Welt viel herumgekommen (weitere wichtige Stationen waren USA und Frankreich), sondern hat aktiv unglaublich viele Unternehmungen initiiert. Ihr berufliches Leben begann Ende der 90er Jahre in Hamburg in einem Marktforschungsinstitut. Danach arbeitete sie in Werbeagenturen und Verlagen. So hat sie beispielsweise dafür gesorgt, dass Kindermagazine wie das Micky Maus Magazin oder das Lustige Taschenbuch auch online stattfinden und hat das Museumsportal Berlin betreut.

 

Nach der Geburt ihres ersten Kindes hat sie sich mit zwei anderen Müttern selbständig gemacht und das Online-Magazin „Hauptstadtmutti“, ein Ratgeber für (angehende) Mütter gegründet. Durch ein berufliches Coaching wurde ihr bewusst, was ihr wirklich am Herzen liegt, nämlich die Arbeit mit
Menschen. Nach einer Zusatzausbildung zum Systemischen Business Coach arbeitet sie seit 2019 in eigener Praxis.

 

Sie hat Bücher geschrieben und Vereine gegründet und damit in den letzten Jahren u.a. das Mutterschutzgesetz geändert. Mütter nach Fehlgeburten dürfen seit Juni 2025 offiziell zu Hause bleiben und sich erholen. Frauen stärken und Frauen motivieren und der Osten sind ihre Themen. Deshalb hat sie 2024 den Ostfrauen*Salon gegründet. Isa Grütering lebt seit 25 Jahren mit ihrer Familie in Berlin.

Zur Person: Nicole Bogott

Nicole weist viele Gemeinsamkeiten mit Isa Grütering auf, obwohl sie 10 Jahre jünger ist und Isa erst seit kurzem kennt. Auch sie wurde im Osten geboren, ist allerdings in Wandlitz aufgewachsen. Nicole ist ebenfalls viel in der Welt herumgekommen: Sie absolvierte ein Auslandsjahr in den USA, studierte unter anderem in London, Chicago und Istanbul und arbeitete unter anderem sowohl in Windhoek und Kabul als auch in Paris.

 

Sie hat internationale Politik und Wirtschaft sowie Europastudien studiert, baut Strukturen auf und fördert Demokratie. Als Tech-Entrepreneur gründete sie sowohl Philia, eine Life-Management-App, als auch den gemeinnützigen Verein The Philia Project e.V.. Der Verein setzt sich dafür ein, Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern zu fördern, internationale Zusammenarbeit und Toleranz zu stärken sowie demokratische Strukturen zu unterstützen.

 

Seit zwei Jahren lebt sie wieder in Wandlitz und hat bereits kommunalpolitische Initiativen gestartet, darunter die Gründung der Vereinigung „1A- Bürgernah“ und die Veranstaltung „Werkstatt der Mutigen“. Auch medial trat sie für Wandlitz auf, etwa beim ARD-Format BundesVibe. Ihr Ziel ist es, Strukturen zu verbessern, die Digitalisierung voranzutreiben und Bürgernähe zu schaffen, sodass Menschen politische und gesellschaftliche Möglichkeiten erhalten.

 

Als Teilnehmerin des Ostfrauen*Salons in Berlin war sie so begeistert von Format und Gründerin, dass sie nun gemeinsam den Salon in Wandlitz organisieren.

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