Bogensee – Rückbau oder Entwicklungschance?

Vor 70 Jahren war Baubeginn der FDJ-Jugendhochschule Bogensee, die mit der Wende aufgelöst wurde. Bis 1999 nutzte der gemeinnützige „Internationale Bund für Sozialarbeit" das Objekt. Seit 1996 steht das gesamte Areal unter Denkmalschutz. Mitten im Wandlitzer Gemeindegebiet ist die Liegenschaft dem Land Berlin als Eigentümer ein Klotz am Bein. Kann daraus dennoch ein Zukunftsprojekt werden?

Förderverein Akademie Bogensee e.V.

Fünf Jahre lang (bis Ende 2019) erarbeitete der Förderverein Akademie Bogensee e.V., unterstützt von mehreren Stiftungen und Sponsoren, ein Nutzungskonzept für das Areal. „Die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), sie verwaltet die Liegenschaft für das Land Berlin, war wohl durch das gelungene Sanierungskonzept zum Schloss Lanke auf uns aufmerksam geworden“, berichtet Andra Schumann, Geschäftsführerin der Akademie Bogensee GmbH und „Schlossherrin“ von Lanke. Immerhin wurden im Jahr 2019 1,4 Mio. Euro für das Areal freigegeben, die Immobilie wurde vor dem Verfall gerettet, Bodengutachten ergaben geringe Schadstoffbelastungen und die Öffentlichkeit wurde wieder auf Bogensee aufmerksam gemacht. „Das Gesamtensemble befindet sich jetzt in einem Zustand, der eine echte Entwicklungschance bietet“, ergänzt Andra Schumann, „leider hat die politische Ebene die Freigabe für unser Nutzungskonzept nicht erteilt, aber Förderverein und Stiftung bleiben bestehen. Sobald Berlin erneut Interesse äußert, können wir weitermachen.“

 

Eine weitere Initiative befindet sich in Gründung: das genossenschaftlich organisiertes Projekt Lebens- & Kreativ- Campus Bogensee. „Wie kommt es zu Ihrem Engagement?“, fragte W. Arnim Beutel, Berliner Schauspieler und Regisseur: „Wir denken, dass wir hier viele Möglichkeiten, anders zu leben, zu wohnen und zu arbeiten, über 10 Jahre entwickeln könnten, wenn wir einen Pachtvertrag bekämen“.

 

Das Objekt Bogensee hat – auf 30 Gebäude verteilt- eine Nettogeschossfläche von ca. 42.000 m². 2020 wurde eine Machbarkeitsstudie durch die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) vergeben, die bisher nicht öffentlich zugänglich ist. „Was steckt da Neues drin, soll hier eine kleine Stadt im Wald entstehen?“, fragte unsere Zeitung  Johanna Steinke, Pressesprecherin der BIM GmbH, welche für das Projekt Bogensee zuständig ist und sich in Wandlitz auskennt: „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es keine seriösen, wirtschaftlich tragfähigen Konzepte bei einem Verkauf gibt, die zudem die historischen Aspekte von Bogensee verbindlich regeln könnten. Das Land Berlin strebt also keinen Verkauf an und sucht keinen Investor mehr“. Die erwähnte Machbarkeitsstudie umfasst das gesamte Areal, „rund 21 Fußballfelder groß“ mit allen Gebäuden und eine Wirtschaftlichkeitsrechnung. Die BIM stellt die Studie zunächst in einer kleinen Arbeitsgruppe mit Beteiligung von Denkmalschutz und auch des Wandlitzer Bürgermeisters vor, bevor eine breitere Öffentlichkeit hergestellt werden soll. „Wirtschaftlich darstellbar (incl. sozialem Wohnungsbau) ist das nur, wenn dort für 3500 bis 4000 Menschen Arbeits- und Wohnplätze geschaffen werden können, bei Nutzung vorhandener Gebäude für Gemeinschaftseinrichtungen und einer möglichen Verdichtung durch Neubau von Wohnungen!“, fasst Johanna Steinke klipp und klar das Fazit der Machbarkeitsstudie zusammen.

 

Ein Hunderte-Millionen-Projekt und wieder einmal eine Aufgabe, die Offenheit in der Debatte für den Umgang mit Historischem und gegenüber Eingriffen in die Natur sowie visionäres Denken von den politischen Akteuren verlangt. Die Öffentlichkeitsbeteiligung steht noch aus. Das ist tatsächlich eine riesige Herausforderung in diesem Superwahljahr und unter Corona-Restriktionen. Angesichts laufender Unterhaltungskosten in Höhe von 230.000€/a und anstehender Erhaltungsmaßnahmen, hier sind Zuschüsse der öffentlichen Hand in zweistelliger Millionenhöhe erforderlich, bleiben dringende Fragen: Wer wird den Mut für eine zeitnahe Entscheidung aufbringen? Kann und will die Gemeinde Wandlitz einen neuen Ortsteil mit kompletter Infrastruktur von Kita bis ÖPNV-Anbindung in Bogensee entwickeln?

GUT ZU WISSEN: BOGENSEE_DATEN_FAKTEN

Eiszeit der Bogensee entsteht, kleiner ovaler See, noch immer ohne Bebauung oder Zuwegung

1919 Graf Wilhelm von Redern verkauft Gut Lanke mit dem Bogensee an den Magistrat von Berlin

1936 Stadt Berlin schenkt Reichspropagandaminister Goebbels den Bogensee samt Blockhaus und fast 500 ha Land zum Geburtstag

1939 Errichtung eines neuen Gebäudes durch Goebbles, dem heutigen Landsitz

1942 Verkauf an die Cautio Treuhand GmbH, aber weiter Nutzung durch Goebbels auch als Künstlertreff

1945 Besetzung durch die Truppen der Roten Armee und Nutzung als Lazaret

1946 auf Bitten von Erich Honnecker Einrichtung einer Jugendleiterschule unter Zustimmung des Zentr. Organisationskomitees der FDJ

1950 Hochschule wird nach Wilhelm Piek benannt

1951 Baubeginn für Lektionsgebäude, Internat und Gemeinschaftshaus der ehemaligen FDJ-Jugendhochschule

1955 Fertigstellung der Neubauten für eine räumlich klar definierte Campusanlage im stalinistischen Stil

Ab 1970 Studierenden kommen auch aus dem kapitalistischen Ausland, suchen hier Schutz vor politischer Verfolgung, vgl. Film der
finnischen Regisseurin Kirsi Marie Liimatainen www.wfilm.de/comrade-where-are-you-today/film-dvd-bluray-vod/

1990 Auflösung Jugendhochschule nach der Wende.

1991 bis 1999 Nutzung durch den gemeinnützigen „Internationalen Bund für Sozialarbeit“

1996 Denkmalschutz für das gesamte Areal

2015 bis Ende 2019 Entw. Nutzungskonzept durch den Förderverein Akademie Bogensee e.V. unterstützt von mehreren Stiftungen

2019 Freigabe von 1,4 Mio € zur Sicherung des Areals und zur Verhinderung des Verfalls der Gebäude

2020 Land Berlin, als Besitzerin, erstellt selbst eine Machbarkeitsstudie durch die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), jährlich sind rd. 230.000€ für die Bewirtschaftung erforderlich. Gesamtareal hat rd. 168.500 m² mit 30 Gebäuden bei ca. 42.000 m² Nettogeschossfläche, insg. 2.570 Räume, darunter u. a. 512 Wohnräume, 477 Sanitärräume, 103 Küchen und 8 Unterrichts und Übungsräume der ehemaligen FDJ-Hochschule.  Mensa, Kulturhaus, ehemaliges Lektionsgebäude mit Hörsaal, Bühne mit 525 Sitzplätzen, Schulleitungsgebäude, Wohnheime und Goebbels Landhaus mit Villa von 1939



Externe Links zum Artikel:
https://akademiebogensee.de/
https://www.wikipedia.org/wiki/Bogensee
https://www.bim-berlin.de/immobilien/unsere-projekte/bogensee/
https://www.bim-berlin.de/immobilien/unsere-projekte/bogensee/

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