Genossenschaftliches Wohnen in Wandlitz

Kann eine Wohnungsbaugenossenschaft günstigeren Wohnraum schaffen und ist das ein Konzept für mehr gemeinschaftliches Wohnen über Generationen hinweg? WPunkt im Gespräche mit einigen Bewohner:innen der Wohnungsbaugenossenschaft Selbstbau e.G. im alten Dorfkern von Wandlitz.

Altes Schulhaus in Wandlitz Dorf ist Teil der Projekt der Wohnungsbaugenossenschaft Selbstbau, Bildnachweis: WPunkt

Grundstückspreise sind sehr hoch im Gemeindegebiet, die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum ist ebenfalls sehr hoch. Bei einigen größeren Bauprojekten wie in den Basdorfer Gärten wurden aufgrund gestiegener Baukosten die Sozialwohnungen gestrichen, größere Bauvorhaben in Klosterfelde und Schönerlinde sind noch in Planung. Wie schaffen wir bezahlbaren Wohnraum? Kann eine Wohnungsbaugenossenschaft helfen?

 

WPunkt befragt Bewohner:innen im genossenschaftlichen Wohnen im alten Dorfkern in Wandlitz:

WPunkt: Was waren die Beweggründe damals sich für ein genossenschaftliches Wohnen zu entscheiden und wie findet man eine geeignete Wohnungsbaugenossenschaft?

Dirk: Ich habe in einer WG gewohnt und wir wollten schon seit Jahren raus aus dem hektischen Berlin. Meine Mitbewohnerin sah dann die Anzeige der Wohnungsbaugenossenschaft und ich hatte alte Beziehungen zu Wandlitz und damit waren wir dabei.

 

Susi: Wir wohnten in Brüssel und ich wollte gerne wieder nach Deutschland zurück. Auf Wandlitz sind wir dabei eher zufällig gestoßen, als wir die Anzeige der Genossenschaft auf der Website von CoHousing – gemeinschaftliches Wohnen gesehen haben und das hörte sich sehr idyllisch an, so direkt am See. Wir haben schon immer in WGs gewohnt und wollten für unsere Tochter auch hier gerne gemeinschaftlich Wohnen, damit sie Kontakt zu anderen Kindern haben kann.

 

Almut: Nach 30 Jahren wohnen in Berlin wollte ich gerne weg. Meine ehemalige Nachbarin schreibt die Genossenschaftszeitung und hat mich 2020 auf einen Artikel über dieses Projekt aufmerksam gemacht. Toll fand ich, dass es sich um ein Mehrgenerationenprojekt handelte und ich kannte bereits den Liepnitzsee, damit war ich Feuer und Flamme.

 

Juliane: Ich habe nicht aktiv nach diesem Projekt gesucht, habe aber schon 2018 über eine Freundin hiervon gehört, sie war Nachbarin des ersten Architekten. Als ich dann an der Eiche aus meinem Auto stieg, war ich erfüllt von dem Duft, der Luft, der Umgebung und wollte nur hierher! Ich musste dann aber sehr viel Geduld mitbringen, bis die Genossenschaft entschied dieses Projekt neu zu starten und man sich bewerben konnte.

 

Jens: Ich bin eher zufällig dazu gekommen, da ich mich in Juliane verliebt habe, und als wir die Allee in der Breitscheidstraße das erste Mal entlang gefahren sind, war es auch für mich klar. Auch ich habe WG-Erfahrung. Ich bin gesundheitlich eingeschränkt, komme aber mit meinem elektrischen Gefährt überall ganz gut klar, obwohl die Fußwege schon herausfordernd und nicht gerade barrierefrei sind. Wenn ich mal Hilfe brauche und Juliane nicht da ist, sind die Nachbarn nicht weit weg. Ohne viel Weg bin ich hier ja sofort draußen, an frischer Luft und unter grünen Bäumen.

 

WPunkt: Welche Vorstellungen von damals konnten hier in Wandlitz umgesetzt werden und welche nicht?

Hier sind sich Dirk, Susi, Almut, Juliane und Jens einig: echt schön hier! Sie sind alle froh, sehr begeistert und dankbar, in der Natur mit den vielen Seen im Umfeld wohnen zu können und dabei nur 1 km vom Bahnhof Wandlitz entfernt zu sein, sie ergänzen noch:

 

Susi: Ich fahre jeden Tag an einen der Seen, unsere Tochter findet es toll, hier so in der Mitte des Projektes zu wohnen. Wir unterstützen uns gegenseitig, schaffen Harmonie, wir dachten allerdings hier würden doch noch mehr Kinder sein als die 8 Kinder zwischen 1 und 12 Jahren.

 

Ich wusste natürlich, dass wir auf`s Dorf ziehen, aber wir kommen ja aus Brüssel und dort ist es sehr bunt und sehr international, das vermisse ich hier schon etwas in unserer Community und in der Gemeinde.

 

Almut: Ich hatte mir erträumt, dass ich strickend im Garten sitze und mal so gucke was passiert. Da wurde ich angesprochen von einer Mutter und inzwischen hat es sich eingebürgert, dass ich freitags hier mit interessierten Kindern Handarbeiten mache.

 

Ich arbeite zuhause und bin gerne auch allein, das ist hier möglich, aber ich bin dabei gut eingebettet. Das war besonders zu merken, als ich mir letztes Jahr mein Bein gebrochen habe und auf viel Hilfe und Unterstützung zählen konnte.

 

Juliane: Das Draußen Sein und das Dörfliche gefällt mir sehr, es ist nicht anonym. Überrascht war ich, dass sich in unserem Wohnprojekt doch einige Konflikte zeigten, aber das liegt wohl, wie immer, an den unterschiedlichen Bedürfnissen und Empfindungen der Mitmenschen.

 

Wir wohnen ja nah beieinander, aber dadurch, dass wir unsere Nachbarn kennen, habe ich damit kein Problem, das geht sehr gut. Ich würde gerne auch noch mehr Kontakt zu Ur-Wandlitzer:innen haben, das ist aber gar nicht so einfach, obwohl einige von uns samt Kindern ja in der Kantorei singen und damit etliche Leute schon kennengelernt haben. Wir haben auch beim lebendigen Adventskalender mitgemacht. Schön war es, dass Nachbarn gekommen sind, es können gern mehr werden.

 

Jens: Eigentlich wollte ich immer Natur um mich haben, aber Berlin nicht verlassen, da ich gerne auf Konzerte gehe. Jetzt habe ich beides und Nachbarn begleiten mich manchmal.

 

Dirk: Ich mache seit über 20 Jahren Triathlon und in Berlin musste ich erst einmal 20km durch die Stadt, bis ich richtig trainieren konnte. Hier geht es vor meiner Haustür gleich los! Allerdings suche ich immer noch jemanden hier, mit dem ich ernsthaft trainieren kann.

 

Ich dachte ähnlich wie Juliane, dass wir alle etwas dichter mit unseren Anschauungen beisammen liegen und dass die Unterschiede nicht so groß sind, aber wir hatten im Vorfeld ja auch nur einige Treffen zusammen.

 

 

WPunkt: Wie hoch ist der Aufwand, sich in der Genossenschaft zu organisieren?

Dirk: Eigentlich habe nur ich hier Aufgaben, ich bin seitens der Genossenschaft Selbstbau e.G. der bestellte Hausbetreuer für dieses Wohnprojekt gegen eine kleine Aufwandspauschale. Da ich technisches Grundwissen habe und inzwischen auch Rentner bin, habe ich das gerne übernommen und koordiniere Termine, Gasablesungen usw.

 

Wir haben alle 10 Tage Plenum. Am Anfang mussten wir z.B. noch Zaun und Gartenanlage ergänzen, da wegen der gestiegenen Baukosten das nicht, wie eigentlich geplant, umgesetzt werden konnte.

 

Juliane: Ja, und dann gibt es noch jemanden von uns, die Mitglied im Aufsichtsrat ist und 2-3-mal jährlich an den Sitzungen teilnimmt und uns auf unseren Treffen informiert. Eine Person ist in der Redaktion der Genossenschaftszeitschrift tätig und es gibt natürlich die Jahreshauptversammlung der Genossenschaft, wo alle hingehen können.

 

Jens: Zum Plenum können wir im Sommer den Garten nutzen, sonst treffen wir uns in unterschiedlichen Wohnungen. Es kommen mal mehr mal weniger Leute dazu, je nach dem was entschieden werden muss. Am Anfang war das Plenum alle 10 Tage auch nötig. Manchmal haben wir die Tagesordnung gar nicht geschafft, das ist inzwischen nicht mehr so.

 

Susi: Wir haben uns am Anfang unsere eigene Struktur erarbeitet. Vorlagen wurden erstellt: Wie soll eingeladen werden, wie erfolgt ein Treffen und wie die Entscheidungsfindung. Das war schon sehr gut. Einige sind aktiver als andere, schlagen viele Sachen vor und setzen sie tatkräftig um.

 

Almut: Wir haben keinen Gemeinschaftsraum, aber den großen Garten. Da müssen wir uns dann einigen, was an Pflanzen passt und was angeschafft werden soll. Am Anfang dachten wir, alles im Konsentverfahren zu entscheiden, bei dem ein Vorschlag nur umgesetzt wird, wenn kein Einwand dagegen vorliegt. Jetzt haben wir pragmatisch die Zweidrittelmehrheit beschlossen.

Fünfzehn Wohneinheiten im Genossenschaftsbau im alten Dorfkern Wandlitz, Bildnachweis: WPunkt
Schöner, gemeinsamer Innenbereich im Wohnprojekt der Genossenschaft, Bildnachweis: WPunkt
Zaun und Gartengestaltung im Wohnprojekt der Genossenschaft, Bildnachweis: WPunkt

WPunkt: Was sind die entscheidenden Unterschiede zwischen der Genossenschaft bzw. dem Wohnen im Eigentum oder zur Miete?

Almut: Ich kenne unsere Genossenschaft schon lange. 1990 wurde die Genossenschaft mit dem ersten Projekt im Prenzlauer Berg gegründet. Mittlerweile sind es 30 Projekte. Jedes Projekt trägt sich selbst über Genossenschaftsanteile und die Miete.

 

Eine Mietwohnung in Berlin ist doch eher unsicher, da man nicht weiß, wie die Mieten steigen oder Eigenbedarf angemeldet wird. In der Genossenschaft ist das Wohnen sicherer. Ich fühle mich hier geborgen, auch meine erwachsenen Kinder wissen mich hier sicher und gut in der Gemeinschaft aufgehoben.

 

Juliane: Aufgrund von Schwierigkeiten mit Genehmigungen kam das ursprüngliche Projekt nicht in Gang. Die damalige Gruppe orientierte sich anders. Die Selbstbau verwirklichte das Projekt dennoch.

 

Dadurch ist es hier etwas anders gelaufen als bei den üblichen Projekten der Genossenschaft. Eigentlich startet eine Gruppe, die sich mit dem Ziel gemeinschaftlichen Wohnens zusammenfindet, selbständig ein Projekt und wird dabei von der Genossenschaft unterstützt. Wir alle haben uns auf das fertige Projekt hier beworben und daher die anderen Mitbewohner erst relativ spät kennengelernt.

 

Wenn ich meinen Mitmenschen erzählt habe, ich ziehe nach Wandlitz, blinkten bei allen schon die Dollarzeichen in den Augen auf, weil es doch so elitär ist, in Wandlitz zu wohnen. Wir hätten uns ein Eigenheim mit Grundstück hier niemals leisten können, doch durch die Genossenschaft wurden auf diesem Grundstück nicht nur zwei Einfamilienhäuser gebaut, sondern Wohnraum und gemeinschaftlich nutzbare Freifläche für 15 Parteien geschaffen. So können nun wir und rund 30 weitere Menschen so attraktiv wohnen.

 

WPunkt: Wird die Idee vom generationsübergreifenden Wohnen und Leben in der Genossenschaft umgesetzt oder ist der Anspruch im Alltag kaum umsetzbar?

Susi und Almut: In unserem Haus gibt es 4 Parteien und wir haben viel Kontakt, essen etwa einmal im Monat zusammen.

 

Wir finden es wichtig, Sachen anzubieten und gemeinsam zu nutzen. Speziell wir zwei teilen uns Almuts Waschmaschine. Sie wohnt alleine, wir sind eine Familie mit einem Kind. Wir waschen zwar öfter, aber haben durch diese Aufteilung etwas mehr Platz in der Wohnung und das klappt alles sehr gut.

 

Ich gebe meinen Schlüssel an Susi und sie kann jederzeit zum Waschen zu mir hochkommen. Da ich alleine wohne, habe ich ein Gästezimmer für Nachbar:innen, Familie und Freund:innen.

 

Es gibt natürlich noch mehr zu teilen, sei es ein wenig Salz, Blumengießen, Werkzeug oder der Rasenmäher. Und Hilfestellung und Unterstützung leisten wir alle unter uns.

 

Dirk: Die Kinder, die hier wohnen, haben sich von Anfang an super verstanden. Sie haben keine Probleme wie teilweise wir Erwachsenen. Das sieht man daran, wie sie über die Alternsunterschiede hinweg zusammenspielen.

 

Juliane: Einige von uns sehen die Kinder auch als „unsere“ Kinder an, obwohl es nicht die eigenen sind. So gehen wir gern zu Veranstaltungen von „unseren“ Kindern.

 

Dirk: Da ich hier nicht alleine, sondern in Gemeinschaft bin, ist es mir leichter gefallen, mich einzugewöhnen. Ich gehe zu vielen Veranstaltungen, z.B. im Goldenen Löwen. Habe dort Einblicke in die Kommunalpolitik bei Ortsbeirats- und Gemeinderatssitzungen bekommen. Ich engagiere mich daher, weil ich hier alt werden will und weil diese herrliche Umgebung und Natur so weiter erhalten bleiben soll.

 

Das sind die persönlichen Aussagen und Ansichten von uns Fünfen. Wir sprechen hier nicht für das gesamte Projekt.

Wandlitz - echt schön hier!

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