Urbane Biosphärenregion Berlin-Barnim

Seit Ende 2021 liegt eine Vorstudie der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz zur Entwicklung einer urbanen Biosphärenregion Berlin-Barnim vor. Diese wurde durchgeführt vom E.C.O. Institut für Ökologie aus Klagenfurt und könnte Grundlage für eine Diskussion zwischen allen Beteiligten in der Region des Naturparks Barnim und des Regionalparks Barnimer Feldmark und insbesondere der Landesregierungen Berlin und Brandenburg sein. Was ist vorgesehen, welche Auswirkungen, Vorteile oder Folgen erwarten uns? W. versucht sich an einer kritischen Würdigung des Konzeptes.

Worum geht es?

Der ausgewählte Untersuchungsraum umfasst rund 214.800 ha. 15% davon liegen im Nordberliner Stadtgebiet zwischen Reinickendorf, Pankow, Lichtenberg und Marzahn/Hellersdorf, 85% in den Brandenburger Landkreisen Oberhavel, Barnim und Märkisch Oderland. Es wurden 40 Kriterien untersucht, die letztlich für eine Anerkennung im Rahmen des UNESCO-Programms „Der Mensch und die Biosphäre“ notwendig sind. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass der Raum grundsätzlich das Potenzial hat, als UNESCO-Biosphärenregion international anerkannt zu werden. Herausfordernd erscheinen die Beteiligung der Öffentlichkeit, der partizipative Prozess zwischen Berlin und Brandenburg sowie die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen. Hierzu gehört z.B. die Erarbeitung einer Biosphärenreservats-Verordnung. Der zeitliche Rahmen für die Vorbereitung der Idee wird mit 2 bis zu 5 Jahren angesetzt, dann 1 Jahr für eine Nominierung und 3 Jahre für weitere Umsetzungen, dann alle 10 Jahre Evaluationen. Inhaltlich gibt es weitere Herausforderungen bei den Punkten: Entwicklung hin zur Biosphärenregion, Biosphärenregion im urbanen Raum und Entwicklung des Stadt-Land-Prozesses.

Laut der Vorstudie zählen dazu: „Schutz, Pflege, Entwicklung und Wiederherstellung von Kulturlandschaften mit reichem Natur- und Kulturerbe“. Spezifisch geht es dabei u.a. um Förderung der biologischen Vielfalt und Renaturierung gefährdeter oder geschädigter Ökosysteme, Förderung des ökologischen Landbaus und der regionalen Vermarktung, nachhaltige Nutzungsformen in Land- und Forstwirtschaft sowie Monitoring und wissenschaftliche Begleitung. Wegen der urban geprägten Lage würde es im Barnim zusätzlich darum gehen, neue Idee für nachhaltige Siedlungsentwicklungen und Freiraumnutzung, nachhaltige Verkehrslösungen, regenerative Energien und nachhaltige Lösungen für den steigenden, stadtnahen Naherholungstourismus beispielhaft für den Norden Berlins und das Brandenburger Umland zu entwickeln.

Erste Überlegungen zu einer Biosphärenregion in unserer Gegend gehen auf eine Studie der Uni Greifswald aus dem Jahr 2014 zurück. Damals wurde ein erstes Stimmungsbild aus Befragungen von u.a. Bürgermeistern, Bewohner:innen, Besucher:innen und anderen Stakeholder:innen erstellt. Heute liegt eine aktuelle Vorstudie bei der Berliner Senatsverwaltung zu den grundsätzlichen Rahmenbedingungen für eine Antragstellung vor. Interview zwei Protagonisten der Gemeinde.

Pro „Was hat die Gemeinde Wandlitz davon?“

Dr. Peter Gärtner, Leiter Naturpark Barnim, ist Befürworter einer Biosphärenregion Berlin Barnim (ein international anerkannter Titel), den Deutschland bei der UNESCO beantragen kann.

Seiner Meinung nach hätte ein Antrag Erfolgsaussichten, da erstmalig in Deutschland eine Metropole und ihr Umland diesen Weg beschreiten. Da auch in Deutschland -wie weltweit- der überwiegende Teil der Bevölkerung in Städten und ihrem Umland lebt, sind gerade für diese Räume neue Lösungsansätze gefragt. Er erklärt das Besondere an dem Prädikat und den Weg dorthin: Wenn dieser Antrag erstellt werden soll, wird es dazu einen Beteiligungssprozess über drei Jahre geben. In dieser Zeit werden Vertreter:innen u.a. aus der Politik, dem Natur- und Umweltschutz, aus Forst- und Agrarbetrieben, Handwerk und Industrie ebenso wie aus Tourismus und Verkehrsplanung sowie interessierte Bewohner:innen eingebunden. Das Ergebnis soll konkrete Ideen zur nachhaltigen Entwicklung beinhalten, die im Laufe der folgenden zehn Jahre umgesetzt werden müssen. Ist diese Gemeinsamkeit nicht herstellbar, endet der Prozess schon nach den ersten drei Jahren. Im Wesentlichen bietet dieser partizipative Prozess die Chance, den Mehrwert einer Biosphärenregion unter dem Blickwinkel der Herausforderungen des Klimawandels und einer nachhaltigen Entwicklung der Region herauszuarbeiten.

Wie konkret sollen denn Maßnahmen entwickelt werden und woher kommt das Geld für eine Umsetzung?

Dr. Peter Gärtner erläutert: Vor dem Schritt einer konkreten Entwicklungsplanung müssen beide Länder den gemeinsamen politischen Willen für diesen Weg erklären. Dazu existieren bislang weder in Berlin noch Brandenburg konkrete Ankerpunkte in den aktuellen Koalitionsverträgen. Damit die Idee bei beiden Ländern überhaupt auf die politische Agenda kommt, ist aus der Region eine breit getragene Forderung zum Start der UNESCO Prädikatisierung notwendig!! Damit sich eine solche Forderung entwickeln kann, sind sowohl die Vorzüge als auch die Bedingungen der Prädikatisierung aufzuzeigen. Es muss deutlich werden, welchen Zugewinn die Region unter den Bedingungen des Klimawandels und dem in den nächsten Jahren zu bewältigenden, nachhaltigen Umbau der Gesellschaft durch eine UNESCO Prädikatisierung im Wettkampf der Regionen erlangen kann. Insbesondere der Schwerpunkt der UNESCO Biosphärenregion für Forschung und Entwicklung, aber auch für die Finanzierung beispielhafter Modelllösungen dürfte dabei ein wesentlicher Gesichtspunkt sein.

Bei der Vielzahl der zu beteiligenden Stakeholder ist die Organisation einer solchen Diskussion im Vorfeld eine enorme Herausforderung. Themenfelder und mögliche Entwicklungsziele bietet die Region reichlich. Wesentlich ist dabei, das Ganze als länderübergreifenden Ansatz zu verstehen, wie es aktuell z.B. für Wandlitz und Pankow bei der Gestaltung der Achsenentwicklung bereits geschieht. Die enge Verflechtung mit Berlin wird weiterhin Wohnungsbau, Zuzug und Pendler nach sich ziehen. Das ändert sich auch nicht grundsätzlich in einer Biosphärenregion und ist auch nicht das Ziel. Anders als bislang steht aber der Nachhaltigkeitsaspekt im Fokus und soll wesentliches Kriterium für die Entwicklung sein. Letztendlich bestimmen die Kommunen unter diesem Nachhaltigkeitsaspekt die Entwicklungsideen und -projekte in Brandenburg und Berlin, die eine solche UNESCO Region prägen.

Haben wir Auseinandersetzungen zu erwarten im Rahmen der Bestimmungen für ein Biosphärenreservat?

Dr. Peter Gärtner meint: Mit der oben skizzierten Vorgehensweise ist Vorsorge getroffen, dass die Entwicklung einer länderübergreifenden Biosphärenregion von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen werden kann.  Ein Beispiel, wie nachhaltig solche partizipativen Prozesse vor der Etablierung eines Schutzgebiets sind, ist der Naturpark selbst. Dank eines breiten, öffentlichen Beteiligungsprozesses durch das Kuratorium vor seiner Gründung hatten wir in den nun fast 25 Jahren unseres Bestehens bis heute keine fundamentalen Konflikte oder eine grundsätzliche Infragestellung des Naturparks. Das unterstreicht die erfolgreiche Umsetzung der großflächigen Naturschutzprojekte zwischen Liebenwalde, Biesenthal, Eberswalde, Wandlitz, Bernau und Panketal. Sicher werden aber viele Diskussionen und Abstimmungsprozesse notwendig werden, um den von der UNESCO geforderten Rahmenbedingungen gerecht zu werden, als auch den Anteil von 3% der Fläche, als Kernzone auszuweisen und dort „Natur, Natur sein zu lassen“, was am Ende bedeutet, hier die Nutzung komplett aufzugeben. Ich gehe aber davon aus, dass dies lösbare Aufgaben sind.

Contra: Klaus Siebertz sieht die Entwicklung zur Biosphärenregion kritisch.

Er ist seit 2010 in der Kommunalpolitik für die CDU engagiert, er sieht die Entwicklung hin zu einer Biosphärenregion kritisch für die Entwicklung der Gemeinde.

Klaus Siebertz erläutert, grundsätzlich hörten sich das Projekt Biosphärenregion und die Vorstudie, die dem Berliner Senat vorliege, ja gut an. Etliche Dinge, wie die ökologischen Vorrangflächen zum Naturschutz, seien bereits über EU-Richtlinien hier verankert bzw. durch die Bundesregierung zur Umsetzung vorgesehen, das sei richtig und gut. Da seien sich wohl alle einig, dass der Lebensraum von Bienen geschützt werden müsse, denn keiner wolle selbst mit dem Wedel zum Bestäuben auf die Bäume klettern müssen. Grenzen und Widersprüche könnten aber zum Beispiel zum Achsenentwicklungskonzept aufkommen, wenn es um die Entwicklung der Gemeinde gehe.

Wo genau sind Diskrepanzen mit den Zielen einer Biosphärenregion zu erwarten?

Klaus Siebertz: Im Achsenentwicklungskonzept ist eine gewisse Entwicklung vorgesehen. Es könnte zu Widersprüchen kommen in den Bereichen Wohnungsbau, notwendiger Ausbau der Verkehrs- und der sozialen Infrastruktur wie Kitas und Schulen sowie Wirtschaftsentwicklung. Beispiele dazu gibt es in Joachimsthal, insbesondere in Eichhorst, wo die Umwidmung eines geplanten Gewerbegebiets in ein Wohngebiet an den Vorgaben des Naturschutzes scheiterte. Man kann einzelnen Orten nicht die zukünftige Entwicklung verwehren, das ist problematisch. Übermotivierte Umsetzung seitens der Verwaltung könnte beispielweise die Teilung eines Grundstücks zum Nachzug der Kinder unter Bezug auf eine Biosphärenregion versagen, das sind berechtigte Ängste der Bewohner: innen hier. Problematisch bei dem Vorhaben ist also, dass das legitime Recht der Einwohner: innen oder auch derjenigen, die hier gerne zuziehen wollen, beschnitten wird.

Können diese Bedenken in der partizipativen Vorbereitungsphase ausgeräumt werden?

Klaus Siebertz bejaht. In diesem frühen Stadium des Prozesses werden ja innerhalb von drei Jahren die Voraussetzungen geklärt. Hier muss man sich dann aber auch konstruktiv einbringen, die Betroffenen müssen beteiligt werden und die Gemeidevertreter: innen müssen sich einig sein, wo es hingehen soll. Verfolgt man allerdings die Entwicklung in der Gemeinde, kann festgestellt werden, dass zum Beibehalten des „Status Quo“, sozusagen gegen eine Weiterentwicklung, vor Jahren Wandlitz ein Kurort werden sollte, dann folgte mit ähnlichem Ziel eine Baumschutzsatzung. Sind die jetzigen Bestrebungen der dritte Versuch, weiteren Zuzug zu verhindern? Jede weitere Familie sollte das gleiche Recht wie die Alteingesessenen haben, dafür steht schon der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 1 im Grundgesetz. Der Siedlungsdruck auf den Speckgürtel ist zwar etwas zurückgegangen, aber besteht weiter, auch wenn die explodierenden Immobilienpreise die Entwicklung verlangsamen dürften. Entwicklung sollte nicht um jeden Preis erfolgen, der Außenbereich verdient Schutz und das sollte auch so beibehalten werden, aber die Gemeinde hat im Innenbereich ausreichend Entwicklungsmöglichkeiten, die man nutzen sollte.

Im Übrigen kann der Wunsch nach qualitativem Wachstum durch vorhandene Instrumente wie Flächennutzungsplan, Bebauungspläne und Gestaltungssatzungen hinreichend geregelt werden.




Verfasser:in:
Dr. Peter Gärtner, Leiter Naturpark, Klaus Siebertz, Eva-Maria Dombrowski

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