Echt schön hier – oder etwa nicht?

Gedanken, Erlebnisse und Kulinarisches nach den Kommunalwahlen.

Kein Müll am Einkaufszentrum Fontanestrasse, Bildnachweis: Oberhof

„Echt schön hier!“

Sie wissen es vielleicht, das ist der Marketings Spruch für die Wandlitzer Tourismuswerbung. Das Ergebnis der Kommunalwahlen und Europawahlen war dagegen, was das Abschneiden der Rechtsradikalen betrifft, wirklich nicht „echt schön hier“. Etwa jede/r dritte Wahlberechtigte, hat die AfD gewählt. Ja gewiss, bezogen auf alle Wahlberechtigten ist es (bei einer Wahlbeteiligung von 70 %) nur knapp jeder Fünfte! Trotzdem! An diesem Tag war meine Reaktion: „Echt unfassbar hier!“.

Jetzt, da ich sechs Wochen später diesen Text schreibe, schaut für mich die Welt schon wieder ein wenig anders aus. Ich habe den Schock verkraftet, ich hätte ihn ja erwarten müssen. Und ich bleibe auch dabei: ohne die 3 Millionen Menschen, die seit Januar in allen Städten und Orten Deutschlands aufgestanden sind, wären die Wahlergebnisse noch weit unerfreulicher ausgegangen. Denn viele dieser Menschen, nahmen das erste Mal im Leben an einer Demonstration teil und brachten zum Ausdruck: wir stehen für Vielfalt, Toleranz und Demokratie, gegen Hass Ausgrenzung und Rechtsradikalismus.

Dennoch. Wie lebt es sich in einem Ort, von dem man weiß, dass jeder fünfte Mitbürger eine Partei wählt, die auf ihren Wahlplakaten offen für Reportation warb. Damit meinen diese Rechtsextremen: Deportation von Geflüchteten, von anerkannten Asylbewerberinnen, von Migranten, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben und von jenen deutschen Mitbürgern, die mit den Flüchtlingen Solidarität geübt haben. Da kann man schon Angst kriegen.

Konstituierende Sitzung in Basdorf

Das war auch einer der Gründe, warum meine Frau und ich am Dienstag den 2. Juli gespannt die Konstituierung des Basdorfer Ortsbeirats und die Wahl des Ortsvorstehers verfolgen wollten. Und die gute Nachricht als erstes (die meisten wissen es:) Der Vertreter der AfD, der (wie gewohnt wahrheitswidrig) behauptete, es hätten ihn 2000 Wähler in Basdorf gewählt (dabei hatten ja nur 3600 Menschen an der Abstimmung teilgenommen), wurde NICHT gewählt. Er bekam bei der Wahl gerade mal zwei Stimmen, vermutlich seine eigene Stimme und die seines AfD-Kollegen.

Gewählt wurden nach einem langen Wahlprocedere Petra Bierwirth (SPD).

In der nun folgenden Einwohnerfragestunde hatte ich den Eindruck, dass die AfD ihre örtlichen Anhänger mobilisiert hatte, weil sie offensichtlich gehofft hatten, dass das auf die Ortsbeiratsmitglieder Eindruck machen würde. Wie erwähnt: ohne Erfolg. Aber aus den Diskussionsbeiträgen von mehreren Bürgern entstand z.T. ein schon fast apokalyptisches Bild –  einer in Müll und Hundekot versinken Ortschaft, auf deren L100 von morgens bis abends Autorennen mit völlig überhöhter Geschwindigkeit stattfinden, ständig nächtliche Feuerwerke die Haustiere erschrecken, und Ordnungsamt und Polizei sich weigern, solche offenkundigen Verstöße gegen das Ordnungsrecht zu ahnden. Im wörtlichen Sinne zeichneten manche ein Horrorszenario sowohl vom Zustand des Dorfes wie auch von den Verantwortlichen. Verärgert und verstört fuhren wir nach Hause und warfen nun ein besonderes Augenmerk auf vermeintlichen Müll an den Straßenrändern oder Hundekot. Ergebnis: nichts! Zumindest nichts zu sehen! Und auch am Gartenzaun unseres eigenen Grundstückes: im ganzen Jahr kaum je das in der Tat ärgerliche Ereignis, dass ein Hundebesitzer die Geschäfte seines Vierbeiners nicht mit entsorgt hat.

Was geht in solchen Menschen wie der Beschwerdeführerin vor, die unser friedliches Gemeinwesen, in landschaftlich beneidenswerte Umgebung so herunter machen müssen?

Aber natürlich auch die Frage: was kann man, was können wir tun, was muss geschehen, um solche Menschen aus der „Angst-Ecke“ herauszuholen? Lebend in immerwährender Bedrohungslage, von „denen da oben“, den Politiker*innen, aber auch den Zuwanderer*innen, und vielen, die so ganz anders leben wie sie selbst.

Kurz vor der Ortsgrenze zu Zühlsdorf lädt seit eineinhalb Jahren ein Fischimbiss zu optischen und lukullischen Überraschungen ein, Bildnachweis: Rossin

Doch echt schön hier?!

Ich erinnerte mich daran, welch positive Wirkung vor gut zehn Jahren, als das erste Flüchtlingsheim in Wandlitz eröffnet wurde, die sogenannten „Bürgerbegegnungsfeste“ hatten! Vielleicht (oder wahrscheinlich!) brauchen wir solche Feste nicht nur zwischen Einwanderern und Einheimischen, sondern auch zwischen Einheimischen und Einheimischen! Bürger-Begegnungs-Feste! Mitbürger*innen begegnen. Zusammen Feste feiern. Kennen lernen, und den oder die andere als Chance zur Bereicherung erleben!

Den ganzen nächsten Tag beschäftigten uns diese Fragen der Polarisierung innerhalb unserer eigenen kleinen Gemeinde und was man dagegen tun kann. Um ein wenig zu entspannen, setzten wir uns auf unsere Fahrräder und fuhren einfach drauflos. Ganz spontan schlugen wir die Richtung zum Rahmersee ein und wurden auf der Zühlsdorfer Landstraße nach wenigen Metern eingeladen von dem Plakat „Steg 17- Offen-Herzlich willkommen!“ Da erinnerten wir uns wieder, wir hatten ja in der Lokalpresse gelesen, dass irgendjemand ein Bistro für Fischbrötchen oder so eröffnet hätte.

Aber nun diese unglaubliche Überraschung: auf einer Fläche etwa so groß wie ein Fußballfeld am Rande des Rahmersee großflächig verteilt laden acht oder zehn Sitzgruppen zum Verweilen ein.

Unter Sonnenschirmen oder Zeltplanen oder oben auf dem Dach des Küchencontainers oder direkt am Seeufer vor den Aufzügen für die Fischfangkörbe… Was für ein Kleinod! Obwohl es heute nur bedeckt war, für ein Juliabend eher kühl, fühlten wir uns schlagartig in ein Paradies versetzt. Da der Rahmersee sehr wenig besiedelt ist, hatten wir den Eindruck, an dieser Stelle ziemlich allein (neben den anderen Fischereibesucher*innen) zu sein. Das laute, uns unbekannte Vogelgezwitscher entpuppte sich als der Singsang der sogenannten Türkentaube. Vorzügliche Baguette belegt mit fangfrischem Fisch, anspruchsvoll zubereitet, auf bequemen Sitz-Gelegenheiten und der Blick auf die unverstellte Weite des Rahmersee. Welch genießerischer Sommerabend.

Echt schön hier! Das schoss mir durch den Kopf. Seit 14 Jahren wohnen wir nun in der Gemeinde Wandlitz. Vor über einem Jahr haben wir die Presse-Notiz über eine gastronomische Neueröffnung am Rahmersee gelesen. Aber heute Abend erst, wo wir unseren Frust über die übertriebene gehässige Unzufriedenheit von Mitbürgern ab radeln wollten, entdecken wir dieses Stückchen Paradies!

Hier fällt uns leichter, wieder die Relationen richtig zu sehen! Ja, es ist „Echt schön hier!“.

Vom Dach des Küchenpavillons hat man einen besonderen Überblick über Ufer und den ganzen Rahmersee, Bildnachweis: Rossin
Direkt am Wasser an den Hebeanlagen für die Fischreusen kann man Köstlichkeiten für Augen und Mund genießen, Bildnachweis Rossin

Sich Sorgen machen, aber auch Verantwortung übernehmen

Um etwas klarzustellen: es gibt aus meiner Sicht viele Gründe, sich Sorgen zu machen um diese Welt. Die Klimakatastrophe, die Kriege in der Ukraine, im Gaza, und anderswo. Diktaturen, zunehmender Zulauf für Demokratiefeinde, aber auch im Zusammenhang mit Globalisierung, Digitalisierung, Zuwanderung vielen ungelöste Fragen. Auch die Inflation, die sprunghafte Steigerung z.B. der Energiekosten. Sorgen mache ich mir auch. Aber ich versuche auch, Verantwortung zu übernehmen und das bedeutet in erster Linie, nicht andere bezichtigen, andere beschimpfen und abzuwerten, und die Schuld immer nur in „denen da oben“ oder im Nachbarn oder den Menschen mit anderer Hautfarbe, sexueller Orientierung oder religiöser Ausrichtung zu sehen. Ich versuche meinen Teil beizutragen gegen die Spaltung der Gesellschaft, gegen die Verschmutzung der Umwelt und gegen die zunehmende Mutlosigkeit. Die Kraft daraus hole ich mir neben einer glücklichen jahrzehntelangen Partnerschaft und meinem Glauben auch aus der wunderschönen Landschaft, in der wir leben, aus der kraftvollen Natur und aus den vielen wunderbaren Ideen, die sich Künstler, Architekten, Gastronomen, ja aus allen Schichten der Bevölkerung Menschen machen, um unser Leben zu verschönern, um uns ein Lächeln, ein Schmunzeln oder ein Staunen zu entlocken!

Deshalb sage ich aus tiefsten Herzen (und trotz einiger Aspekte der Kommunalwahlergebnisse): Wandlitz – echt schön hier! Oder etwa nicht?

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