Können die Reichen das Klima retten?

Wer mehr verdient, lebt meist umweltschädlicher. Denn Besserverdienende fahren häufiger mit dem (großen) Auto, unternehmen mehr Flugreisen und heizen größere Wohnflächen. Zu diesem Schluss kam das Umweltbundesamt in seiner Studie „Keine Wende in Sicht". Doch gerade Vermögende können dazu beitragen, die Wende für einen sozialgerechten Klimaschutz einzuleiten. Wie sie sinnvoll und strategisch spenden können, vermittelt Ihnen der Wandlitzer Daniel Kruse als Projektleiter bei der Active Philanthropy gGmbH.

Active Philanthropy für wirksame Strategien, um die Klimakrise einzudämmen

Nach journalistischer Ausbildung in Köln gründete Daniel Kruse im Berliner Wedding die Kreativ-Agentur Wigwam und später eine Organisationsberatung. Im Sommer 2018 zog er mit Familie nach Wandlitz und seit März 2023 arbeitet er für die gemeinnützige Beratung Active Philanthropy. Sein Team berät Stiftungen, Firmen und vermögende Familien zu den wirksamsten Strategien, um die Klimakrise einzudämmen.

Daniel, du und deine Mitstreitenden setzen sich für aktive Philanthropie ein. Kannst du unseren Leser: innen erläutern, was das eigentlich ist?

Philos bedeutet „Freund“ und Anthropos „Mensch“, der Begriff entstand in der Antike und meinte Wohlhabende, die ihr Geld freiwillig für das Gemeinwohl einsetzen. Im Kern ist das immer noch der Gedanke.  In der heutigen Zeit gibt es jedoch eine vielfältige Infrastruktur von Berater: innen um diese Wohlhabenden, von der Privatbank bis zur Rechtsanwältin, und diverse Konstrukte wie Stiftungsgründungen, um Geld möglichst gezielt einzusetzen.

Obwohl in den letzten Jahren die Aufmerksamkeit für den Klimaschutz – endlich – stark zugenommen hat, wandern weltweit nur 2% der philanthropischen Gelder in den Klimaschutz. Das wollen wir bei Active Philanthropy dringend verändern. Unser Motto hierbei lautet: Lernen, inspirieren, handeln.

 

Denn obwohl inzwischen wohl alle vom Thema gehört haben, gibt es oft kein weiterführendes Handlungs-Wissen dazu. Es geht viel Energie drauf in den „Kulturkämpfen“ rund um Tempolimit, fleischarme Ernährung oder zuletzt die Wärmewende. Ganz viele begreifen denke ich noch nicht, was hier auf dem Spiel steht – denn nichts kostet uns mehr Freiheit und auch mehr Geld als ein ungebremster Klimawandel.

 

Mit Expeditionen etwa nach Grönland – Stichwort „Inspiration“ – zeigen wir auf, wie sich die dortige Natur bereits stark durch die globale Erwärmung verändert. Für Mitarbeiter: innen in Stiftungen bieten wir eine sog. „Learning Journey“ an, in der wir digital über mehrere Wochen Handlungs-Wissen für deren Wirkfeld vermitteln.

Wie kommt man zu so einer Tätigkeit, was ist dein persönlicher Hintergrund?

Ich bin 2005 für einen Job von Köln nach Berlin gezogen, in dem ich mich als Redakteur mit allerlei sozial- und umweltpolitischen Themen auseinandersetzen musste. Kurz vor Feierabend bin ich dann an einem Artikel im englischen „Guardian“ hängen geblieben, der die ganze Bandbreite des Klimawandels erklärt hat. Mich hat das ziemlich in den Sessel gedrückt. Später in meiner Agentur arbeiteten wir hauptsächlich für Kund:innen aus der Zivilgesellschaft und insofern bin ich immer am Thema drangeblieben. Das treibt mich also seit Jahren an, so wie ein Koch neue Rezepte sucht und ein Mechaniker am Motor schraubt.  Nach ganz vielen Jahren der Selbstständigkeit wurde es mir zuletzt etwas einsam im Home-Office und bei Active kann ich mich jetzt mit einem tollen Team fürs Thema einsetzen.

Daniel Kruse arbeitet für Active Philanthropy

Wie bringst du dich bei Active ein, welches Projekt treibst du gerade an?

Ich arbeite am „Climate Solutions Hub“, einer Online-Plattform für Großspenden, auf der wir 19 geprüfte Klimaprojekte aus fünf Sektoren vorstellen. Hinter den Projekten stehen auch einige bekanntere Organisationen wie der Club of Rome oder Transparency International. Zielgruppe sind Vermögende oder Firmen, die 50 bis 500 TEUR als Spende einsetzen können.

 

Die Seite ist erst seit wenigen Tagen online und ergänzt das Angebot von Active, insofern als bereits Vorgebildete oder Klima-Entschlossene hier direkt ihr Geld in sinnvollen Lösungen anlegen können. Wir bezeichnen die ausgewählten Lösungen als „systemisch“, d.h., dass sie an großen Hebeln ansetzen, um noch rechtzeitig die großen Verwerfungen einer ungebremsten Erwärmung zu stoppen. Dazu zählen etwa faire Kostenverteilung und Schutz von Mietern bei anstehenden Energie-Sanierungen, ohne die wir die deutschen Klimaziele nicht erreichen können. Oder Projekte, die im Rechtssystem ansetzen, um etwa den Finanzmarkt grüner auszurichten oder in der EU für klimagerechte Landwirtschaft zu streiten.

 

„Die Klimakrise schlägt jetzt überall zu – und genauso finden sich überall Lösungen“. So lautet der erste Satz auf unserer Webseite. Und ich finde, das bezieht auch Wandlitz mit ein.

 

Inwiefern hat das für Wandlitz Auswirkungen?

Die Klimakrise im Großen trifft uns hierzulande ja schon im Lokalen. Die Sommer werden zu heiß und zu trocken, es haben vielleicht nicht alle mitbekommen, aber im letzten Jahr galt bereits ein Sprengverbot für den eigenen Rasen zur Tageszeit wegen Wassermangel. Die Landwirte kommen ins Straucheln, weil die Äcker zu trocken werden. „Der Buchenwald leidet“ steht auf Schildern am Liepnitzsee, weil sich Schädlinge in der Wärme besser halten. Obwohl wir einen recht regnerischen Sommer hatten, war es mal wieder der heißeste seit Beginn der Messungen in Europa – im Extrem führt das zu vielfach wahrscheinlicheren Waldbränden wie in Griechenland. Brandenburg führt seit Jahren die Statistik der Waldbrände nach Bundesländern an.

 

Was hat das nun mit uns Wandlitzer: innen und dem eigenen Verhalten zu tun? Was mir persönlich ins Auge sticht: die ständig verstopfte L100 und dass immer mehr Menschen einen SUV fahren, obwohl wir für Verkehrsgerechtigkeit aller Straßenteilnehmer kleine und schadstoffarme Autos bräuchten. Und klar: ein besseres Angebot im ÖPNV und attraktive Radwege zum Umsteigen. Der Verkehrssektor ist für rund ein Viertel der weltweiten Emissionen verantwortlich, und der Umstieg von herkömmlichen Pkw auf SUVs ist der zweitgrößte Emissionstreiber zwischen 2010 und 2018, so das Umweltbundesamt.

 

Ich finde es fraglich, wenn wir die Verantwortung für einen bewohnbaren Planeten immer auf andere verlagern – wahlweise „die Chinesen“, die Regierung oder den Nachbarn, der ja noch einmal mehr in den Urlaub fliegt als man selbst. So kommen wir nicht schnell genug voran – ich träume da eher von einem Wetteifern nach mehr Lebensqualität und Gesundheit für alle Wandlitzer: innen.

Aber was hat das nun mit deinem „Climate Solutions Hub“ zu tun?

Richtig, pardon für das Zetern. Ich nehme an, in unserer schönen Gemeinde leben auch einige Vermögende. Wie auch immer Sie hier leben, konsumieren und sich fortbewegen – ich würde mich über einen Austausch freuen, wenn Sie zumindest besorgt sind um den Klimawandel. Denn wir können unseren Wäldern helfen, wenn etwa das Ehepaar Promberger auf unserer Plattform unterstützt wird, den illegalen Holzeinschlag von rumänischen Urwäldern zu verhindern. Wir bewahren unsere Senioren vor zu heißem Sommern, indem wir der Organisation KLUG dabei helfen, das Gesundheitssystem besser darauf auszurichten und eigene Emissionen in Krankenhäusern zu vermeiden. Wir könnten viel einfacher eine Urlaubsreise mit dem Flieger einsparen, wenn das europäische Nachtzugnetz lückenlos und kostengünstig funktionieren würde – wofür sich die Organisation Germanwatch bei uns einsetzt.

 

Denn das ist der eigentliche Clou am Thema Klimawandel: Weg vom „Sollen die anderen erstmal was machen“ und hin zum „Wow, ich habe so viele Möglichkeiten, es selbst anzugehen“. Und das gilt natürlich insbesondere für Menschen mit mehr finanziellen Mitteln.

 

Was könnte eine Gemeinde oder ein Kreis aus deiner Sicht verbessern?

Sorgen bereitet mir natürlich der erstarkende Rechtspopulismus, der die Klimagefahr als Panikmache verunglimpft. Wir brauchen jetzt, gerade auch kommunal, vollen Einsatz für den Umwelt- und Klimaschutz, und wenn diese Akteure in die Gemeinderäte und Gremien vordringen, wird es umso schwerer. Deshalb: ganz viel Klima- und auch Demokratie-Bildung anbieten. Das Projekt Klimafakten.de auf unserer Plattform setzt sich etwa dafür ein, Lokaljournalist: innen oder Bürgermeister: innen fit zu machen, um die richtigen Botschaften zu setzen und auch klimaskeptische Bürger: innen zu erreichen.

Und was würdest du WPunkt raten?

Nach der Aufmerksamkeitswelle für das Klima stecken wir momentan in einem Dauerstreit darüber, was den Bürger: innen angesichts anderer Krisen noch zuzumuten ist. Das Wegschieben löst aber das Problem nicht, „die Natur verhandelt nicht“, sagen uns die Wissenschaftler: innen zurecht.

Wer Klimaschutz ernst nimmt, der vermeidet unkontrollierbare Migrationskrisen von morgen, weil Menschen um den Äquator herum schlichtweg nicht mehr dort leben werden können. Wem unsere Wälder und Gärten am Herzen liegen, der muss sich eigentlich auch für regelmäßigen Regen und ergo weniger Extremwetter durch Klimawandel interessieren. Wenn wir auf erneuerbare Energien setzen, dann können wir uns an diesen auch genossenschaftlich beteiligen und lokale Jobs im Handwerk fördern. Und einiges mehr.

 

Diese Narrative könnt ihr als lokales Magazin vielleicht gezielter dorthin tragen, wo Wandlitz lebendig ist: in Sportvereine, Feuerwehren, Schulen, Handwerksbetriebe und vielleicht auch in die Verwaltung. Wo sich Menschen aller Schichten und „ökologischen Glaubensrichtungen“ versammeln, etwa auf dem tollen Erntedankfest des Barnim Panorama oder beim Jedermann-Lauf.

 

Denn das geht selbst mir so: Wir können kaum „alltagstauglich“ über das Thema sprechen, weil es so überwältigend wirkt. Es ist mit Vorurteilen belegt und wird mittlerweile als Kampfbegriff benutzt. Aber alle reden übers Wetter – das wäre doch beim nächsten Mal vielleicht ein guter Einstieg.

Bildnachweis: Daniel Kruse


Externe Links zum Artikel:
https://www.activephilanthropy.org/
https://www.wandlitz.de/seite/592445/klimaschutz-in-wandlitz.html
https://www.zeit.de/arbeit/gehaelter/wandlitz-gehalt-vergleich

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