Alle reden über das Achsenentwicklungskonzept AEK – aber kaum jemand kennt es wirklich!

Natur ist nicht da wo wir wohnen, unser Auto parken und unseren Rasen mähen, Natur ist da wo wir nicht sind – nämlich zwischen den Achsen, entlang derer sich die Siedlungen konzentrieren. Aber halt - zurück zum Anfang. Ein Versuch, das AEK zu erklären.

Der nördliche Teil des Siedlungssterns, Bildnachweis: LEP 2019

Ein Versuch, das AEK zu erklären.

Der Ausgangspunkt für das Achsenentwicklungskonzept AEK ist der Länder-Entwicklungsplan-Hauptstadtregion LEP- HR (wir berichteten in W02 bereits 2019 dazu). Vorarbeit waren eine Status Quo Raumanalyse – eine Studie für ein themen- und länderübergreifendes Achsenentwicklungskonzept im „Nord-Ost-Raum“ von Berlin und im Berliner Umland. Für die Entwicklung des AEK wurden 3 Büros beauftragt, die in Wandlitz von einer Steuerungsgruppe (Verwaltung), einer AG und durch verschiedene öffentliche Beteiligungsformate begleitet wurden.

Ziel und Kernaufgabe des AEK

„Die Festlegung der neuen Siedlungsachse eröffnet insbesondere der Gemeinde Wandlitz neue Möglichkeiten, neue Wohnsiedlungsflächen zu entwickeln, die einen guten Anschluss an schienengebundene Haltepunkte des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) bieten. Somit soll die Abhängigkeit vom motorisierten Individualverkehr reduziert, die verkehrsbedingte CO2-Belastung und der Flächenverbrauch im Berliner Umland minimiert werden.“

Es steht der Gemeinde frei, ob und wann sie diese Möglichkeiten nutzt, umsetzt oder eben nicht umsetzen will.

Fazit der Öffentlichkeitsbeteiligung

Im Rahmen einer umfangreichen Öffentlichkeitsbeteiligung wurden Bürgercafes und Beiräte sowie Befragungen durchgeführt. Auf Online-Befragungen haben 181 Wandlitzer:innen,  auf die postalische Fragebogenaktion haben mehr als 500 Personen von 2800 Angeschriebenen aller Altersstufen geantwortet (das entspricht einer Rücklaufquote von fast 20%). Die Auswertung erfolgte durch das Planungsbüro yellowZ in Berlin, vgl. Bürgerbeteiligung zum Achsenentwicklungskonzept. 

Online-Beteilung, Bildnachweis:_ WPunkt

Online-Prioritäten nach Themen

Online Kommentare mit den meisten "Likes" Bildnachweis: Planungsbüros yellowZ und Happolt

Auswertung aus den Formaten der Öffentlichkeitsbeteiligung

Die Auswertung der Rückmeldungen aus den Formaten der Öffentlichkeitsbeteiligung kann auf 3 Aussagen konzentriert werden:

  • Die Befragten schätzen die wertvolle Natur- und Seenlandschaft der Region und bewerten den Erhalt der Landschaftsräume und Klimaanpassungsmaßnahmen als wichtig.
  • Mobilitätsthemen wie die Verbesserung des ÖPNV und den Ausbau von Radwegen sehen die Befragten als wesentliche Schwerpunkte der Entwicklung.
  • Gegenüber dem Siedlungswachstum, d.h. dem Zuzug weiterer Menschen und einer Verdichtung der Orte zeigen die Wandlitzer:innen eine skeptische bis ablehnende Haltung.

 

Analysen und Potential zum Wachstum/Wohnraum aus dem AEK

Der Bevölkerungszuwachs in Wandlitz resultiert zu über 90 Prozent aus Zuwanderung aus Berlin (1990-2014, Gemeinde Wandlitz 2016b). Festzuhalten ist weiterhin der demographische Wandel: insbesondere die Altersgruppe der ab 65-Jährigen wird zunehmen, von 2020-2030 um etwa 30 % (LBV 2021). Wandlitz verliert jedoch auch größtenteils junge Einwohnerinnen und Einwohner an Berlin (B.B.S.M. et al. 2020).

Einwohnerstatistik 2018-2023 Bildnachweis: WPunkt

Einwohnerzuwachs nach Ortsteilen

vom 31.3.2018 und 31.3.2023, 1550 neue Wandlitzer:innen, also pro Jahr 310 neue Wandlitzer:innen. Laut Endbericht zum Achsenentwicklungskonzept AEK wird bis 2030 mit einer Zunahme von 4,3% zum Basisjahr 2020 gerechnet also bis auf 25.013. Siehe Endbericht AEK, S.28/29

 

  • Wandlitz              +527, pro Jahr 105 Menschen
  • Basdorf                +453, pro Jahr 91 Menschen
  • Stolzenhagen     +187, pro Jahr 37 Menschen
  • Klosterfelde        +171, pro Jahr 34 Menschen
  • Schönwalde        +161, pro Jahr 32 Menschen
  • Lanke                   +25, pro Jahr 5 Menschen
  • Prenden               +28, pro Jahr 6 Menschen
  • Zerpenschleuse  +29, pro Jahr 6 Menschen
  • Schönerlinde       -31, pro Jahr 6 Menschen                                              weniger

Wohnraumangebot, -defizite und Entwicklungsmöglichkeiten

Das Wohnraumangebot in Wandlitz mit Ein- und Zweifamilienhäusern weist Defizite auf: Es fehlt an mietpreisgünstigen kleinen, aber auch größeren familiengeeigneten sowie altersgerechten Wohnungen. Aufgrund der großen Zuwächse in der Bevölkerungsgruppe ab 65 Jahren ist eine steigende Nachfrage nach altersgerechten und barrierearmen Wohnungen sowie Wohnraum für Ein- und Zweipersonenhaushalte zu erwarten (GL 2020; LBV 2021).

Laut AEK weist Wandlitz mit 182 Wohneinheiten WE je 1.000 Einwohner das höchste Verdichtungspotenzial nördlich von Berlin auf. Errechnet wurden insgesamt 3.993 WE als Nachverdichtungspotential. Entwicklungsreserven in integrierten Lagen sind z. B. die ehemalige Landespolizeischule Basdorf und der „Güterbahnhof“ in Wandlitz sowie die Nachverdichtung im Bestand, im Baulückenschluss und in der Umnutzung unter- und ungenutzter Flächen.

Auffällig sind die teilweise geringen baulichen Dichten an Schienenhaltepunkten der NEB entlang der Siedlungsachse, z.B. in den Ortsteilen Schönerlinde und Schönwalde. Geschosswohnungsbau ist nach den Festsetzungen geltender B-Pläne im Brandenburger Teil der Siedlungsachse aktuell nur in wenigen Gebieten umsetzbar (z.B. Louisenhain oder Rosenstraße).

Der kleinteilige und ländliche Charakter erfährt insgesamt eine hohe Bedeutung und soll im Laufe der Entwicklungen erhalten bleiben.

Fazit zum Wachstum und Wohnraum

Die Vermeidung weiterer Zersiedlung und Begrenzung des Flächenverbrauchs hat Priorität. Herausforderung dabei ist das Ausloten von Höhen und Dichten bei neuer Bebauung versus Erhalt des gewachsenen Siedlungsbildes mit durchgrünten Siedlungskörpern.

In Wandlitz werden Stimmen von der Bürger:innen sowie der Politik laut, die großmaßstäblichen und dichten Entwicklungsabsichten grundsätzlich skeptisch gegenüberstehen. Dies steht jedoch im Widerspruch mit der Zielsetzung einer flächensparenden, verkehrsreduzierenden Siedlungsentwicklung sowie dem Erfordernis, dringend benötigten preisgünstigen Wohnraum auch in kompakteren Bauformen zur Verfügung zu stellen.

Die Bebauung in den Basdorfer Gärten schreitet voran, wobei die geplanten sozialverträglichen Wohnungen leider erst einmal zurückgestellt werden mussten.  Im OT Wandlitz liegt eine Baugenehmigung für den umstritteten Bereich an der L100 neben dem Sparkassenbau vor. Das städtebauliche Konzept für den „Güterbahnhof“ und die Überarbeitung des 6 Jahre alten Bebauungsplans für das ehemalige Zementwerk gehen aktuell in den Gremienlauf. Bemerkenswert ist, dass für die Bebauung auf dem Gelände des Zementwerkes bereits viele Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt wurden und eine Abkehr vom Einfamilienhaus hin zu gemeinschaftlichem Wohnen umgesetzt werden soll. Für Unmut sorgt im Dorfkern zur Zeit der geplante Ausbau des ehemaligen Gerstelhofes.

Einzelne Ortsteile haben Interesse an weiteren Bauvorhaben wie in Klosterfelde auf dem Innova-Gelände oder in Schönerlinde das Heidequartier. Bei diesen Vorhaben wurden jeweils Gespräche mit den Investoren geführt.

Die Natur in den Achsenzwischenräumen schützen!

Durch die Konzentration der Siedlungsentwicklung auf die landesplanerisch neu festgelegte Siedlungsachse soll der Siedlungsdruck in den Achsenzwischenräumen und den natursensiblen Bereichen reduziert werden.

Die Sicherung von schützenswerten Grün- und Freiräumen und deren Verbindungen sind von großer Bedeutung. Ein sorgsamer Umgang mit der Ressource Boden ist anzustreben, zum Beispiel durch Vermeidung von Zersiedlung oder durch den schleichenden Ausbau von Kleingartenlauben und Wochenendhäusern.

Das Mobilitätsverhalten im Untersuchungsraum ist bislang stark vom Kfz-Verkehr (MIV motorisierter Individualverkehr) geprägt. Um diesen zu reduzieren, soll die Siedlungsentwicklung in der Nähe der schienengebundenen ÖPNV – Knoten konzentriert werden. Darüber hinaus lassen sich kürzere Wege zur Arbeit durch eine eng miteinander verzahnte, räumlich angemessene Gewerbe- und Siedlungsentwicklung realisieren.

Auch Naherholung und Tourismus müssen umweltverträglich und nachhaltig entwickelt werden.

Zusammenfassung zum AEK

Das Achsenentwicklungskonzept wird in den Diskussionen oft auf das Feld „Bauen und Zuzug“ reduziert. Das Konzept basiert aber auf folgenden Schwerpunkten:

  • Umweltverbund* in den Fokus nehmen
  • Siedlungsachse mit Siedlungskernen und Freiraumzäsuren gestalten (Perlenkette)
  • Lebendige Ortskerne schaffen und erhalten
  • Entwicklung von Schulen entsprechend der bestehenden Verflechtungen abstimmen
  • Vorhandene Gewerbeflächenpotenziale ausschöpfen
  • Vielfältige Wohnangebote bieten und Neubau bedarfsgerecht entwickeln
  • Tangentialverbindungen stärken (z.B. wird eine Busverbindung Bernau-Wandlitz­-Oranienburg Ende 23 den Betrieb aufnehmen)
  • Langfristige Wohnperspektiven erhalten/eröffnen
  • Siedlung im Einklang mit den Zielen des Natur- und Landschaftsschutzes entwickeln
  • Tourismus für die Achse denken
  • Wirtschaftsverkehr steuern
  • Sport- und Freizeitangebote

 

Diese sowie die zahlreichen Anregungen aus der Öffentlichkeitsbeteiligung finden ihren Niederschlag in drei Handlungsfeldern, die in 19 Handlungsschwerpunkten detailliert werden. Für 14 ausgewählte Schlüsselmaßnahmen wurden „Steckbriefe“ gefertigt. Diese fassen die wichtigsten Daten und Fakten wie Akteurinnen- und Akteurskonstellationen, Finanzierungsmöglichkeiten und die zeitliche Einordnung einer jeden Maßnahme anschaulich zusammen.

Das AEK hat Verdichtungspotentiale und sogenannte Arrondierungsflächen für Wohnbebauung in der Gemeinde Wandlitz identifiziert. Was man daraus macht, entscheidet weder Berlin noch das AEK noch der Bürgermeister. Besitzer:innen von Grundstücken (der weitaus größte Anteil ist in privater Hand), Investor:innen und Wohnungsbaugesellschaften, die Grundstücke aufgekauft haben, bauen Wohneinheiten. Baugenehmigungen werden in Eberswalde erteilt, dazu holt sich die Kreisverwaltung das sogenannte gemeindliche Einvernehmen ab. Mit triftigen, rechtsgültigen Gründen kann gemeindliches Einvernehmen verweigert werden.

Das Bauen kann man dadurch lenken, dass

  • Flächen wie die Arrondierungsflächen als Bauland oder eben nicht als Bauland ausgewiesen werden – das kann die Gemeindevertretung!
  • ein Bebauungsplan für das Gebiet erstellt wird und zwar rechtzeitig, bevor ein Investor eine Baugenehmigung erwirkt. Auch das kann die Gemeindevertretung!

Nachhaltiger Schutz von Natur, Tieren, Pflanzen, Boden- und Trinkwasserressourcen ist nur da möglich, wo wir nicht siedeln, unseren Müll abladen oder parken – also in den Achsenzwischenräumen, die durch das AEK geschützt werden sollen!



Anmerkungen der Redaktion:
*Mit Umweltverbund ist der nicht motorisierte Individualverkehr gemeint, also ÖPNV, Rad- und Fußverkehr usw.

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