Meine Fahrt mit dem Wasserstoffzug von Basdorf nach Berlin

Die neue Flotte der NEB (Niederbarnimer Eisenbahn) ist ab Dezember 2024 mit 7 wasserstoffbetriebenen Zügen und 31 emissionsarmen Zügen mit Strom- und Batteriebetrieb im VBB-Netz unterwegs. Ein Beitrag für Frieden, Umwelt und Energiewende – Danke NEB und VBB, dass es euch gibt!

Mittwoch fuhr ich mit dem Wasserstoffzug von Basdorf nach Berlin: die Fahrt war angenehm  leise, ich habe mich mit den vielen klugen, innovativen Experten von Enertrag, Siemens Mobility und dem Verkehrsverbund Berlin Brandenburg unterhalten und auch mit den Zugbegleitern und Auszubildenden, die wie die Triebwagenführer auf den neuen Zügen geschult wurden.

 

Am 25.9.2024 um 9:30 ging es auf dem Bahnhof Basdorf zur Sache. Das vorgestellte Pilotprojekt umfasst sieben mit Wasserstoff H2 angetriebene Züge auf unserer Heidekrautbahn-Strecke, die Wasserstofferzeugung im Elektrolyseur in Wensickendorf mit der angeschlossenen Photovoltaik- PV- Anlage zur Energieerzeugung und den LKW-Transport von dort zur H2-Tankstelle im Basdorfer Depot der NEB.

 

Aber was hat das mit Frieden zu tun?

Wenn alle 38 neuen Züge die alten Dieselfahrzeuge ersetzt haben, werden immerhin jährlich 4,4 Millionen Liter Dieselkraftstoff eingespart, berichtet Detlef Bröcker, Geschäftsführer der NEB, und Dr. Gunar Hering, Vorstand von Enertrag, die den alternativen Treibstoff H2 erzeugen, weist zurecht darauf hin, dass das eingesparte Rohöl (aus dem Diesel erzeugt wird) nicht mehr in Russland oder den arabischen Staaten eingekauft werden muss. Diese Devisen stehen damit nicht mehr zur Finanzierung des Ukraine-Angriffskrieg, von Kriegen im Nahen Osten oder für Luxushochhäuser zur Verfügung!

 

Gut für die Umwelt, gut für Anrainer und Fahrgäste

Auf den nicht elektrifizierten Strecken im ländlichen Schienenverkehr ist Wasserstoff effizienter und sauberer als Diesel. Thomas Dill, Bereichsleiter Center für Nahverkehrs- und Qualitätsmanagement im VBB, erklärt, dass der schöne Landkreis Barnim durch diese Einführung ökologischer und zukunftsfähiger wird, die Fahrgäste aber vor allem an der Qualität der Fahrzeuge und der an der Pünktlichkeit interessiert sind. Der VBB hatte das Pilotprojekt initiiert und mit der NEB verhandelt, er freut sich, dass wir nochmals feiern werden, wenn die Stammstrecke in Betrieb geht und eine weitere stündliche Verbindung zwischen Basdorf und Berlin herstellt.

 

Die neuen Mireo-Züge von Siemens Mobility fahren leiser, emittieren weniger CO2 und andere Schadstoffe wie Feinstaub, Rußpartikel und Stickstoffoxide als die Dieselloks. Das werden die Anrainer an den Bahnstrecken bemerken. Zudem sind die Züge dynamischer, können also besser beschleunigen als die trägen Dieseltriebwagen. Nicht nur die Zugfüher:innen wird dies freuen, sondern alle Fahrgäste, denn dies schafft Spielraum zum Ausgleich von Verspätungen.

VBB-Liniennetz Umstellung auf emssionsarmen Betrieb, RB27, Bildnachweis: VBB-Flyer Dieselausstieg 2024

Gut für die Energiewende

Abgesehen von den Problemen mit den erdölexportierenden Ländern wie Saudi-Arabien, Russland und Irak ist Erdöl als Basis für die Dieselproduktion eine endliche Ressource. Das Pilotprojekt dient dem Umstieg auf eine nachhaltige Treibstoffproduktion aus erneuerbaren Energien wie Solarenergie und Windkraft. Die Firma Enertrag entwickelt, baut und betreibt Anlagen zur Energieerzeugung aus Wind und PV und erzeugt Wasserstoff weltweit, hat aber den Hauptsitz und viele Windkraft- und PV-lokale Anlagen im Barnim und der Uckermark. Bereits seit 2011 läuft die Anlage zur Elektrolyse und Lagerung von H2-Erzeugung bei Prenzlau, die zurzeit noch die Wasserstoffzüge der NEB beliefert, bis der Elektrolyseur in Wensickendorf in Betrieb geht. Die Wertschöpfung und die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibt also regional: erneuerbare Energieproduktion in Brandenburg für CO2-neutralen Treibstoff der Züge, Busse und Müllfahrzeuge im Barnim.

Startschuss, Sebastian Achtermann, Detlef Bröcker / GF NEB Betriebsgesellschaft mbH, und Albrecht Neumann / CEO Rolling Stock bei Siemens Mobility, drücken gemeinsam den Startknopf für die alternativen Antriebe in Berlin und Brandenburg. Bildnachweis: NEB/C. Bedeschinski

Gut zu wissen: Komfort und Fertigung der Züge

Mit dem Fahrplanwechsel zum 15. Dezember 2024 werden die Wasserstoffzüge auf der Strecke der Heidekrautbahn eingesetzt. Fahrgäste werden den Unterschied merken: barrierefrei mit mehr Platz für Fahrräder, Rollstühle und Kinderwagen. Es gibt kostenloses WLAN und die Fensterscheiben sind HF-transparent gestaltet, so dass der Mobilfunkempfang deutlich verbessert wird – schauen Sie einmal schräg auf die Fenster, dann erkennen Sie deutlich das Wabenmuster. Die Toilette ist erhalten geblieben und auch das Zugbegleitpersonal ist zufrieden mit der Ausstattung.

 

Detlef Bröcker betont in seiner Ansprache: „Eine anspruchsvolle Zeit liegt hinter uns, alle mussten neu lernen, alle hatten den Mut und das Engagement, sich auf dieses Projekt einzulassen, dafür geht mein Dank an alle Beteiligten!“. Er verspricht dabei wieder höhere Pünktlichkeit mit dem Fahrplanwechsel im Dezember, wirbt aber auch für etwas Gelassenheit auf allen Seiten, denn die Einführung so einer großen, neuen Flotte von 38 Zügen mit zwei neuen Antriebsarten bringt auch sicher Schwierigkeiten und Herausforderungen mit sich.

 

Auch das Sicherheitskonzept im Fahrgastraum wird durch Videoüberwachung verbessert, eine computergestützte Auswertung kann sogar Auseinandersetzungen erkennen und ein Warnsignal in die Zugführerkabine senden.

 

Wer hat das alles geleistet? Albrecht Neumann von Siemens Mobility berichtet von den hochmodernen Zügen mit Brennstoffzellen-Antrieb bzw. batterieelektrischem Antrieb der Baureihe Mireo. Hier nur einige Anmerkungen zu Handwerks- und Ingenieurleistung, die gepaart mit Innenausstattern und Designern die Baureihe Mireo von Siemens Mobility ausmacht:

  • Die Fertigung der Fahrgastbereiche beginnt mit dem Pressen von maßgeschneiderten Aluminiumprofilen. Es gibt weltweit nur etwa ein Dutzend Lieferanten, die mit hausgroßen Pressen aus einem Aluminiumklotz derartige Großprofile millimetergenau herstellen.
  • Einzelteile werden computergesteuert zugeschnitten und angeliefert, die Anbringung bleibt jedoch Handarbeit.
  • Beim Wasserstoff-Zug befinden sich auf dem Dach die Brennstoffzelle und die Hochdrucktanks für den Wasserstoff aus Carbonfasermaterial.
  • Die speziellen Fertigungsschritte vom Schweißen über die sogenannte Hochzeit (wenn Fahrgestell und Fahrgastkabine miteinander verbunden werden) bis zur Abnahmeprüfung finden an unterschiedlichen Standorten statt in Deutschland, Österreich und Serbien.

 

Quelle: NEB-Mobilitätswende in Kooperation mit Siemens

Mireo Mehrzweckabteil mit Fahrradplätzen, Bildnachweis: NEB-HGummersbach

Gut zu wissen: Die Wasserstoff-Tankstelle in Basdorf

 

Früher wurden die rauchenden Lokomotiven Kohle befeuert. Als später effizientere, sauberere Energieträger wie Strom und Diesel die Kohle ablösten, wurden auch die alten Kohlebunker überflüssig. In Basdorf wird die NEB auf dem Platz des alten Kohlebunkers nun unter Beibehaltung der alten Gleise und Anschlüsse die neue Wasserstofftankstelle bauen. Die Betankungsanlage wird ab Oktober 2024 von der Barnimer Energiebeteiligungsgesellschaft mbH (Tochter der Kreiswerke Barnim GmbH) betrieben. Hier tankt die Heidekrautbahn (RB27) grünen Wasserstoff, außerdem werden Busse der Barnimer Busgesellschaft BBG und Abfallfahrzeuge der Kreiswerke hier betankt.

 

Die Tankstelle besteht aus Verdichtern, der Kühlung, den Gasspeichern und aus Steuerungs- und Sicherheitseinrichtungen. Wie die Anlieferung für Diesel erfolgt auch die Lieferung des Wasserstoffs per LKW, für den Bedarf von 750kg täglich reicht ein Antransport aus dem 10km entfernten Wensickendorf. In Basdorf wird die Lagerung und Betankung der H2-Züge bei 500bar erfolgen. Die Speicher für Wasserstoff sind sicherheitstechnisch für 750bar ausgelegt. Wer bereits ein Wasserstoffauto fährt tankt seinen PKW bei 700bar auf, ein erdgasbetriebenes Auto wird an jeder Erdgastankstelle bei 200bar betankt.

 

Durch Umstellung von Dieseltreibstoff auf Wasserstoff spart man auf der Strecke der Heidekrautbahn künftig 840.000 Liter Kraftstoff pro Jahr ein, was in etwa 2.500 Tonnen an CO2-Äquivalenten entspricht – mit der Reaktivierung der Stammstrecke kommen dann noch weitere ca. 500 Tonnen CO2-Äquivalente dazu.

 

Vorausgegangen sind zweieinhalb Jahre voller Genehmigungsverfahren bis zur Umsetzung: Fachgutachten zum Brandschutzkonzept, Artenschutzgutachten, standortbezogene Vorbetrachtung zur Umweltverträglichkeit, Geruchs- und Emissionsgutachten sind in die Planung der Tankstelle eingeflossen.

Wasserstoff ist leicht flüchtig und mischt sich bei Leckagen schnell mit der Luft, sodass kein explosives Gemisch entstehen kann, Wasserstoff ist brennbar, kann sich aber nicht selbst entzünden. Das Gefährdungspotential ist niedriger als beim Dieseltreibstoff.

Gut zu wissen: Produktion von grünem Wasserstoff

Wasserstoff ist ein kleines und leichtes Element, er kommt in der Natur wie Erdöl und Erdgas vor und ist damit ebenfalls ein fossiler Brennstoff. Grünen Wasserstoff kann man erzeugen, wenn der für die Herstellung benötigte Strom aus erneuerbaren Energien kommt, am besten aus Überschuss bei der Stromproduktion aus Wind- oder Solarenergieanlagen. Wasserstoff ist damit ein gutes Mittel, um Strom in stofflicher Form zu speichern, zu transportieren und wieder in Antriebsenergie umzuwandeln.

 

Für die Erzeugung von H2 wird Strom benötigt. Bei der sogenannten Wasserelektrolyse wird Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff H2 aufgespalten. Die Anlage, in der das passiert, heißt Elektrolyseur. Neben dem Strom wird zur Herstellung auch Wasser benötigt. Um die Elektroden zu schützen, muss das Wasser sehr sauber sein. Die Nebenprodukte sind Sauerstoff, der in die Luft gelangt und nicht mehr nutzbares Wasser, das z.B. zu kalkhaltig für einen erneuten Einsatz ist.

 

Bei der Verwendung von H2 als Treibstoff entsteht nur wieder Wasser.

 

 

Die Planungen von Enertrag für den Elektrolyseur in Wensickendorf sind schon langen bekannt, auf die in 2018 geplante Pipeline wurde allerdings zugunsten eines wirtschaftlicheren Transportes für die nur 10km lange Strecke bis zur Tankstelle in Basdorf auf den Transport per LKW umgeschwenkt.

Wasserstoffproduktion, Bildnachweis: acrobaat

Gut zu wissen: Partner, Institute und Begleitung

 

Das herausfordernde Projekt zwischen den Hauptakteuren NEB, Siemens Mobility, Kreiswerke Barnim und Enertrag hat weitere Partner in Industrie, Politik und Wissenschaft.

Sebastian Achtermann und Deltef Bröker Geschäftsführung der NEB, Albrecht Neumann CEO Rolling Stock bei Siemens Mobility, Daniel Kurth, Martin Fuchs Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB), Dr. Gunar Hering Vorstand Enertrag und Uwe Schüler, Staatssekretär im Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung des Landes Brandenburg , Bildnachweis WPunkt

Für die Errichtung der Tankstelle in Basdorf erhielt die Firma APEX aus Rostock/Laage den Zuschlag.

Betreiber der Tankstelle ist die Barnimer Energiebeteiligungsgesellschaft BEBG mbH, eine Tochtergesellschaft der Kreiswerke Barnim GmbH.

 

Das Pilotprojekt wurde durch mehrere Millionen Euro gefördert, unterstützt und verstetig durch:

MIL (Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung des Landes Brandenburg) und SenMVKU  (Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt) finanzieren den Forschungsvertrag, der auch die Verkehrsleistungen enthält, über eine Laufzeit von 10 Jahren. Damit die Fahrzeuge wirtschaftlich beschafft werden konnten, war zu dem eine sogenannte Nachnutzungszusage der Fahrzeuge durch die Länder notwendig. Das bedeutet, egal wer ab Ende 2034 nach Auslaufen des Forschungsvertrages auf der Heidekrautbahn die Verkehrsleistungen erbringt, die Fahrzeuge werden dann noch weitere 12 Jahre dort eingesetzt. Erst dieser Umstand ermöglicht, dass sich auch alle anderen Investitionen bei Enertrag und den Kreiswerken Barnim wirtschaftlich sinnvoll sind.

 

Weitere Förderer sind das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg und das Bundessministerium für Digitales und Verkehr.

 

Das Pilotprojekt wird von wissenschaftlicher Seite begleitet:

So speisen das Wasserstoff-Forschungszentrum der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) und das Institut für Fahrzeugkonzepte am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) die bei der NEB gewonnenen Daten in ihre jeweiligen Modelle ein, um sowohl technische als auch ökonomische Zusammenhänge zu erfassen und zu optimieren.

 

Das Pilotprojekt wurde vom VBB initiiert und verhandelt:

Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg VBB hat das Forschungsprojekt initiiert und den Forschungsvertrag mit der NEB verhandelt, er begleitet die Umstellung des schienenbezogenen Personennahverkehrs SPNV auf lokal emissionsfreien Betrieb durch den Einsatz von 38 hochmodernen Zügen mit Brennstoffzellen-Antrieb bzw. batterieelektrischem Antrieb auf mehreren Linien in acht Netzbereichen mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2024.

 

Im Verbundnetz wird es außerdem mehr Spätfahrten und engere Taktungen geben. Für die Linie der NEB RB27 wird sich erst einmal nicht ändern, die Stammstrecke reaktiviert wird und zusätzlich jede Stunde ab Basdorf eine Fahrt nach Berlin anbietet. Martin Fuchs, Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB): „Unser Ziel ist es im gesamten Verbundgebiet bis 2037 zu 100% emissionsfrei im SPNV unterwegs zu sein.

VBB-Liniennetze für die Umstellung des SPNV auf lokal emissionsfreien Betrieb, Bildnachweis: VBB-Flyer Dieselausstieg 2024


Externe Links zum Artikel:
https://wasserstoffschiene-heidekrautbahn.de/
https://press.siemens.com/global/de/pressemitteilung/siemens-mobility-und-niederbarnimer-eisenbahn-laeuten-ein-neue-zeit

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