Der nächste Sommer kommt bestimmt – vom Umgang mit Trinkwasser, Extremwetter und Zuzug
Oberflächlich betrachtet haben wir gerade genug Wasser von oben erhalten. Ist dieses aber auch in bis in die tieferen Grundwasserschichten vorgedrungen? Wird unser Trinkwasser knapp? Können wir den Zuzug noch bewältigen? Was passiert beim nächsten Extremregen? Diese Fragen beschäftigen uns zunehmend.
Der nächste Sommer kommt bestimmt!
Die regenreichen vergangenen Monate ließen uns schon fast vergessen, dass wir auch ausgeprägte heiße, trockene Monate zu überstehen hatten. Das pflanzenverfügbare Wasser durch die Regenfälle reicht erstmal oberflächlich, aber reichert es auch unsere Trinkwasserreserven an oder ist es schon einige Meter tief im Erdboden noch immer zu trocken?
Die Messdaten und Vorhersagen für unsere Region Berlin/Brandenburg hat der rbb24 sehr anschaulich für Vernässungsgrade, Starkregenereignisse sowie Jahresmitteltemperaturen dargestellt und Prognosen bis 2100 erarbeitet (rbb24-Datenauswertung Klimawandel: Das erwartet Berlin und Brandenburg bis 2100). Unbedingt lesenswert! Laut einer Umfrage aus 2022 zum Umweltbewusstsein schätzen die Bundesbürger:innen etwa zu gleichen Teilen den Eintrag von Plastikmüll, die Verknappung von Frischwasserreserven und den Klimawandel als bedrohlich ein (vgl. Statista).
Da wir in unserer Gemeinde in den kommunalpolitischen Gremien auch immer wieder den Trinkwasserbedarf bei Zuzug diskutieren, will ich einmal versuchen, die Trinkwasserversorgung und die Abwasserentsorgung für unsere Gemeinde darzustellen. Die Versorgung mit Trinkwasser und die Entsorgung des Abwassers erfolgt für unsere Gemeinde durch den NWA (Niederbarnimer Wasser- und Abwasserverband) und die BWB (Berliner Wasserbetriebe).
Ist- Zustand der Trinkwasserversorgung für das Gemeindegebiet
Das Einzugsgebiet des NWA beinhaltet nicht die TW-Versorgung von Schönerlinde und Schönwalde, geht aber ansonsten über unsere Gemeindegrenzen hinaus. Die Jahresmengen im Einzugsbereich sind bei ca. 29.000 angeschlossenen Einwohnern rund 1,3 Millionen Kubikmeter (1m³=1000 l) Wasser. Dies führt rechnerisch zu einen täglichen Pro-Kopf-Verbrauch an Trinkwasser von 126 l.
Meine Nachfragen zur Trinkwasserversorgung der Gemeinde Wandlitz wurden freundlicherweise beantwortet durch Jana Krone (Pressesprecherin NWA) und Matthias Kunde (Geschäftsführer NWA).
Lesen Sie auch das Interview mit Jana Krone (Pressesprecherin NWA) und Matthias Kunde (Geschäftsführer NWA).zur Abwasserentsorgung in der Gemeinde Wandlitz. Nun aber zunächst zur Trinwasserversorgung:
Der Trinkwasserverbrauch ist mit 126 Litern pro Einwohner und Tag doch für den ländlichen Raum eher hoch. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Die Ermittlung des Pro-Kopf-Verbrauchs ist beim NWA schwierig. Es gibt 13.235 Hausanschlüsse. Daran sind 29.038 ständige Einwohner angeschlossen. Dazu kommen ca. 15.000 saisonale Einwohner, deren Zahl bisher niemand genau erfasst hat, da es keine Meldepflicht dafür gibt. Für die Berechnung halbieren wir die Anzahl der saisonalen Einwohner (die sind ja nur von April bis Oktober da), rechnen also mit 37.000 Wassernehmern. Dann kommen wir auf einen spezifischen täglichen Trinkwasserverbrauch von 99,2 Litern pro Einwohner.
Damit liegen wir deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt von 128 Litern. Doch das sind nur abstrakte Zahlen. Es lohnt sich, diese einmal genauer zu hinterfragen.
Wie im gesamten Bundesgebiet, sank auch beim NWA der Verbrauch bis 2016. Damals lag er in unserem Verbandsgebiet bei 90 Liter pro Einwohner und Tag. Seit den Hitzesommern aber stieg der Verbrauch wieder kräftig an. Ursache dafür ist der deutlich gewachsene Anteil der Gartenbewässerung. Etwa zwei Drittel aller Anschlussnehmer im Verbandsgebiet haben einen Gartenzähler installiert. 2021 wurden über diese Zähler mehr als 250.000 m³ abgerechnet (Anmerkung der Redaktion das entspricht 35 Liter pro Person und Tag für die Gartenbewässerung).
Ein Beispiel: Am 14. Mai 2023 lag der Wasserverbrauch im Verbandsgebiet bei weit über 7.000 m³, am 4. Juni stiegen er sogar auf fast 9.000 m³ am Tag. In Stolzenhagen und Wensickendorf zeigte die Datenauswertung an diesem Tag weit mehr als 600 Liter je Hausanschluss an. Dass dieses Wasser nicht nur als TRINKwasser genutzt wird, zeigen die gleichbleibenden Mengen des eingeleiteten Schmutzwassers. Zum Vergleich: An Winter- oder Regentagen werden nicht einmal 3.000 m³ verbraucht.
Enorme Trinkwassermengen für Gartenbewässerung
Das Jahr 2023 ist im Barnim ungewöhnlich regenreich im Vergleich zu den vergangenen Jahren. Seit 1. Januar 2023 sind bereits 503 Liter pro Quadratmeter Niederschlag gefallen, das ist mehr als die übliche durchschnittliche Jahresmenge im Barnim. Trotzdem verzeichnet der NWA einen ähnlichen Wasserverbrauch wie in den Jahren 2019, 2020, 2021 und 2022. Bereits bis Ende Juni hat der NWA 738.000 m³ Trinkwasser an die Haushalte geliefert. Jahresverbrauch 2022: 1.339.672 m³.
Wir müssen aber damit rechnen, dass Hitze- und Dürresommer wie in den vergangenen Jahren wiederkehren. Um langfristig die Ressource Grundwasser für unsere Kinder und Enkel zu schützen, müssen wir sehr sorgsam damit umgehen. Wiederkehrende Appelle an die Vernunft, die begrenzten Wasserressourcen überlegt und maßvoll zu verwenden, scheinen nur eine geringe Wirkung zu haben.
Welche Kapazitätsreserven hat die Trinkwasser-Versorgung?
Das Trinkwasser wird im Verbandsgebiet zu 100 Prozent aus einer Grundwasserschicht gefördert, die während der Eiszeit vor zehntausenden Jahren entstand. Ein riesiges unterirdisches Meer, das von versickerndem Regenwasser aufgefüllt wird, ein großartiges Werk der Natur.
Bei einem Pumpversuch 2019 im Wasserwerk Prenden wurde erkundet, wie groß der Vorrat wirklich ist. Dazu wurde der leistungsfähigste Förderbrunnen zunächst zehn Tage in eine Art Tiefschlaf versetzt. Danach förderte er zehn Tage lang täglich 2.500 Kubikmeter Wasser – die durchschnittliche tägliche Fördermenge des NWA. An verschiedenen Messpunkten, die bis ins Grundwasser hineinreichten, wurde das unterirdische Meer in dieser Belastungs-Phase beobachtet. Das Ergebnis: Der Vorrat ist so groß, dass er auch die nächsten Generationen mit genügend Trinkwasser versorgen kann – wenn wir nachhaltig wirtschaften. Also nicht mehr Wasser entnehmen, als jährlich durch Regenwasser dazu kommt. Das bedeutet, der NWA könnte durchschnittlich 4900 Kubikmeter Grundwasser pro Tag fördern. (Diese Menge ist aber bisher nicht von der Oberen Wasserbehörde genehmigt.) Momentan liegt die durchschnittlich geförderte Tagesmenge bei 3.835 Kubikmetern. Das heißt, ohne Fremdbezug von anderen Wasserverbänden könnte der NWA mit der Reserve von 1.000 Kubikmetern ungefähr 8.000 zusätzliche Einwohner ausreichend mit Trinkwasser versorgen.
Bei der Berechnung des NWA zum Wasserverbrauch pro Einwohner wurden neben den ständigen Einwohner:innen die Zweitwohnsitze berücksichtigt. Unsere Gemeinde hat auch einige Übernachtungsgäste zu verzeichnen, 2022 erstmals knapp über 161.000 Übernachtungen bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 2,9 Tagen (lt Tourismusverein).
Trotz all dieser Betrachtungen erscheint die Prognose aus dem Achsenentwicklungskonzept für 2030 zu gering, schaut man die lineare Zunahme der letzten 10 Jahre an und schreibt diese fort, dann kommen jährlich rd. 300 Menschen neu in die Gemeinde Wandlitz.
Welche Pläne bestehen hinsichtlich einer Trinkwasser-Beschränkung bei ggf. kommenden sehr trockenen Jahren?
Momentan gibt es beim Zweckverband keine Pläne, den Verbrauch des Trinkwassers zu beschränken. Der Grundwasserstock liegt in Tiefen zwischen 30 und 120 Metern. Diese Schichten sind vom tagesaktuellen Wetter kaum abhängig. Das Regenwasser braucht mehrere Jahrzehnte, bis es dort ankommt. Kurzfristige trockene Perioden spielen deshalb keine Rolle. Auch wenn an heißen Sommertagen der Verbrauch in unvernünftige Höhen schnellt, liegt der durchschnittliche Jahresverbrauch im Verband deutlich unter den zur Verfügung stehenden Kapazitäten. Doch niemand weiß, wie sich die Grundwasserbestände langfristig entwickeln.
Der NWA sieht auch Verantwortung für die Metropolregion
Wir müssen bei unserem Umgang mit dieser Naturressource auch bedenken, dass der NWA nicht auf einer Insel existiert. Wir leben am Rande der Metropole Berlin und tragen auch für die Versorgung der Bevölkerung der Hauptstadt Verantwortung. Bisher wird die Berliner Bevölkerung mit Trinkwasser aus dem eigenen Stadtgebiet und dem direkt angrenzenden Umland versorgt. Doch das Dargebot innerhalb der Stadt sinkt. Die Zuflüsse nach Berlin aus Spree und Havel nehmen ab. Zudem hat auch der Strukturwandel in der Lausitz Folgen für die Verfügbarkeit der Wasserressourcen. Diesen Entwicklungen können wir uns nicht verschließen. Deshalb arbeitet der NWA aktiv in der Initiative Trinkwasserversorgung Metropolregion Berlin-Brandenburg mit, in der sich 21 Wasserversorger zusammengeschlossen haben. Im Jahr 2050 wird die Einwohnerzahl auf Brandenburger Gebiet in der Region zwischen Oranienburg, Nauen, Potsdam, Storkow und Strausberg um rund ein Fünftel wachsen, mehr als die Hälfte aller Brandenburger werden dann in diesem Bereich wohnen. Auch für Berlin wird ein ähnlicher Trend prognostiziert. Fachleute erwarten damit einen zum Teil um die Hälfte wachsenden Wasserbedarf. Das bedeutet, dass die Verbände künftig stärker zusammenarbeiten müssen, dass sie Verbundsysteme zur gegenseitigen Absicherung des Angebots aufbauen müssen.
Hydraulische Grenzen des Leitungssystems an Hitzetagen erreicht
Um das Thema „Beschränkungen“ allseitig zu betrachten, ist es auch nötig, auf die Grenzen des Leitungssystems des NWA einzugehen. Das Netz ist in den vergangenen 30 Jahren aufgebaut worden, um die Einwohnerinnen und Einwohner jederzeit ausreichend mit TRINKwasser zu versorgen. Auf punktuellen Spitzenverbrauch wie an Hitzetagen ist es nicht ausgerichtet. Das war in den Jahren bis 2018 auch nicht nötig. Jetzt erreicht das Netz an Hitzetagen seine hydraulischen Grenzen. Filter und Pumpen laufen dann ununterbrochen auf Hochtouren. Die Gefahr eines technischen Kollapses steigt. Zum Vergleich: Wird ein Auto im dritten Gang mit 180 km/h über die Autobahn gejagt, ist ein Motorschaden vorprogrammiert.
Um den Versorgungsdruck im gesamten Verbandsgebiet an diesen Spitzentagen zu stabilisieren, hat der NWA im Rahmen seines Stabilisierungsprogramms seit 2019 mehr als vier Millionen Euro investiert. Rechtzeitig vor dem Sommer 2023 wurde die Ortsumgehungsleitung Schönwalde am 14. Juni in Betrieb genommen. Sie pumpt zusätzliches Wasser der Berliner Wasserbetriebe nach Basdorf und Zühlsdorf. Bereits im Mai 2021 wurde eine neun Kilometer lange Ost-Tangente vom Wasserwerk Prenden über Ützdorf zur Nibelungensiedlung in Wandlitz eingeweiht sowie Ende 2022 die Druckerhöhungsstation in Stolzenhagen in Betrieb genommen. Sie pumpt eine Wassermenge von 500 m³ zusätzlich in das Netz.
Die Versorgungsbedingungen haben sich dadurch deutlich verbessert. Doch auch diese Verbesserung der Infrastruktur kann vor einem Kollaps bei mehrwöchigem Spitzenverbrauch nicht schützen. Deshalb wurde dem NWA in der Neufassung der Satzung die Möglichkeit eingeräumt, ein temporäres Sprengverbot durchzusetzen. Die Anwendung ist an konkrete Kriterien gebunden: es muss bei einem Drittel der automatischen Druckmessstellen über vier aufeinanderfolgende Stunden der Versorgungsdruck unter 1,5 bar fallen. Aber auch bei einem Großschaden, bei notwendigen Rohrnetzreparaturen oder bei einem sonstigen Rohrbruch kommt diese Regel zum Einsatz.
Lesen Sie auch das Interview mit Jana Krone (Pressesprecherin NWA) und Matthias Kunde (Geschäftsführer NWA).zur Abwasserentsorgung in der Gemeinde Wandlitz.
Gut zu wissen: Wie wir Regenwasser nutzen und Trinkwasser sparen können!
Technische Lösungen für die Versorgung der Region Berlin/Brandenburg mit Trinkwasser, werden bereits diskutiert Entsalzungs- und Wasseraufbereitungsanlagen für Ostseewasser oder für Wasser aus den Flüssen Oder und Elbe . Berlin bezieht jetzt schon 70% des Trinkwassers aus Uferfiltrat, die Gemeinde zu 100% aus Grundwasser!
Bevor wir für teures Geld und unter Einsatz von viel Energie unseren Wasserhaushalt aufstocken müssen, sollten wir lieber das hohe Gut Trinkwasser sparsam verwenden. Reglementierende Maßnahmen sind bei der Bevölkerung nicht gut angesehen, aber was ist die Alternative? Bis technische Umsetzungen für utopische Lösungen da sind und zudem noch bezahlbar bleiben können wir doch einfach mal handeln:
- Regenwassernutzung für den Garten und zur Toilettenspülung ist noch relativ problemlos nachzurüsten: Karola Unverdorben aus Wandlitz betreibt seit Jahren ihren im Boden eingelassenen 6000 Liter Tank, der durch ihre komplette Dachfläche und die halbe Carportdachfläche gespeist wird, mit einer Drucktauchpumpe bewässert sie Kübelpflanzen und Beete für ca. 4 Wochen. Bei Gewittern und Regenfällen wird er wieder aufgefüllt, sodass dann kein Wassermangel besteht. Laubabscheider in den Regenrinnen und ein Sieb im Tank reichen aus, bisher wurde nur einmal in 19Jahren gereinigt. Familie Dombrowski aus Wandlitz nutzt ihren 25m³ Regenwassertank auch für die Toilettenspülung, das ist beim NWA angemeldet und über einen separaten Zähler wird dann die Abwassergebühr dafür entrichtet. Eine weitere Familie in Wandlitz betreibt seit fast 30 Jahren neben dem WC eine Komposttoilette und erfreut sich neben eingespartem Trinkwasser an der guten Komposterde.
- Berlin wird Schwammstadt, das beschreibt ein Konzept zur erhöhten Regenwasserrückhaltung auf Dächern, in unterirdischen Speichern, Rigolen und bei großen Gartengrundstücken Einbau von Regenrückhaltebecken. Für ein Studentenwohnheim in Berlin-Pankow wurde sogar Mehrfachnutzung des Grauwassers und Wärmerückgewinnung aus dem Abwasser umgesetzt. Es ist also auch in der Gemeinde sinnvoll solche Maßnahmen, die uns auch bei Starkregenereignissen besser schützen umzusetzen (vgl Artikel NWA). Es ist ebenfalls sinnvoll, dass Eigenheimbesitzer:innen ihre Vorgärten nicht pflastern, sondern auch hier Versickerungsfläche bieten und Bepflanzungen, die zudem positiven Einfluss auf das Mikroklima haben!
- Und nun zu den reglementarischen Maßnahmen: Panketal hat bereits einige davon umgesetzt die Wasserampel, zeitlich begrenztes Sprengverbot, Brunnenentnahmeverbot, Poolverbot. Die Abschaffung von Gartenwasserzählern und Abschaffung der Grundgebühr für Trinkwasser, dafür erhöhen sich die Gebühren für die Entnahme von Trinkwasser, für die Gartenbewässerung wird eine Freimenge festgemacht.
Externe Links zum Artikel:
https://www.rbb24.de/panorama/thema/2019/klimawandel/beitraege/klimawandel-berlin-brandenburg-zukunft-szenario-2100.html
https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2023/04/mehr-starkregen-berlin-brandenburg-duerre.html
https://gl.berlin-brandenburg.de/raumentwicklung/berlin-und-berliner-umland/achsenentwicklungskonzept-nord-ost-raum-913042.php
https://de.statista.com/