Migration – Geflüchtete in der Gemeinde Wandlitz
Es ist schwierig, klar! Vor allen Dingen ist es schwierig, belastbare Zahlen zu Aufenthaltsdauer, Vermittlung in Arbeit und Verbleib zu bekommen! Wir sind ja kein Überwachungsstaat! Auf Grundlage des Landesaufnahmegesetzes zählen zu den Pflichtaufgaben der Landkreise bzw. der kreisfreien Städte: Aufnahme, vorläufige Unterbringung, migrationsspezifische soziale Unterstützung und die Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Pflichtaufgaben der Landkreise bzw. der kreisfreien Städte
Zu diesen Pflichten gehören die Aufnahme, vorläufige Unterbringung, migrationsspezifische soziale Unterstützung und die Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes. 2015 haben sich die Amtsdirektoren und Bürgermeister:innen gemeinsam mit dem Landkreis Barnim auf folgende Grundsatzentscheidungen verständigt:
- Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen zur Unterbringung Geflüchteter,
- Kombinierte Unterbringung in Ãœbergangseinrichtungen und Wohnungen,
- keine Unterbringung von Geflüchteten in Sporthallen.
Insbesondere war Konsens, dass die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen im kollegialen Miteinander erfolgt und keine Zwangszuweisungen durch den Landkreis vorgenommen werden.
Allein die Bezeichnung „Geflüchtete“ lässt vieles offen. Meint man damit die Menschen, die insgesamt (im Laufe der letzten 10 Jahre oder noch länger) geflüchtet sind? Manche davon haben ja mittlerweile eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder gar bereits die deutsche Staatsbürgerschaft. Oder meint man Menschen, die jetzt gerade einen Antrag gestellt haben und ein Asylverfahren durchlaufen? Oder meint man Menschen, die anerkannt sind und eine einfache Aufenthaltsgenehmigung erhalten haben?
Die Personen, die gerade einen Antrag stellen bzw. ein Verfahren auf Asyl durchlaufen, werden klassischerweise in Übergangswohnheimen untergebracht. Personen, die anerkannt sind, müssen aus den Übergangswohnheimen ausziehen, erhalten ALGII / Bürgergeld und können arbeiten gehen und umziehen.
Kapazitäten für Geflüchtete im Barnim
Der Landkreis Barnim verfügt mit Stand vom 22. Februar 2023 über 1.778 Plätze zur Unterbringung von Geflüchteten in Übergangswohnheimen sowie Wohnverbünden. Hinzu kommen rd. 160 Wohnungen, die durch den Landkreis zur Unterbringung von Geflüchteten angemietet wurden.
Insgesamt wurden im Landkreis Barnim im vergangenen Jahr deutlich mehr Menschen aufgenommen, als Kapazitäten zur Unterbringung vorhanden sind. Das Aufnahmesoll betrug 2022 2.596 Personen, aufgenommen wurden insgesamt 2.711 Personen. Möglich wurde dies durch das herausragende bürgerschaftliche Engagement, insbesondere gegenüber den Geflüchteten aus der Ukraine, von denen im vergangenen Jahr der überwiegende Teil privat aufgenommen wurde.
Die gegenwärtigen Herausforderungen resultieren aus der zuletzt wieder stark gestiegenen Anzahl der Menschen, die in Deutschland (und damit auch im Barnim) Schutz suchen. Für das laufende Jahr wurde dem Landkreis Barnim durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz zuletzt ein Aufnahmesoll in Höhe von 2.034 Personen mitgeteilt.
Kapazitäten für Geflüchtete in der Gemeinde Wandlitz
In der Gemeinde Wandlitz werden derzeit drei Übergangswohnheime (ÜWH) betrieben, in den Ortsteilen Wandlitz, Basdorf und Ützdorf. Zur Zeit ist ein weiteres im Ortsteil Klosterfelde in Vorbereitung mit 79 Plätzen. In der folgenden Grafik sind die Belegungen der drei Überganswohnheime also die Auslastung am Stichtag 31.12.2022 dargestellt, wie sie der Landkreis im Sozialbericht des Landrates vom Februar 2023 angibt. Neben der Belegung ist ebenfalls angegeben wieviele davon bereits eine Anerkennung im Asylverfahren haben, die verbleibenden Bewohner sind dann geduldet bzw. noch im laufenden Asylverfahren.
Ãœbergangswohnheim Wandlitz
Ãœbergangswohnheim Basdorf
Ãœbergangswohnheim Ãœtzdorf
Rund 72% der bundesweiten Asylanträge wurden in 2022 anerkannt, nahezu alle aus Afghanistan und Syrien. Hierbei sind formelle Entscheidungen nach dem Dublin-Verfahren herausgerechnet. Man unterscheidet auch „subsidiärer Schutz“ und „Abschiebungsverbot“, es gibt also nicht einfach ein Ja oder Nein, sondern Fälle, die dazwischen liegen (https://www.bpb.de/themen/migration-integration/zahlen-zu-asyl/265711/asylentscheidungen-und-klagen/).
Zusammensetzung in den Heimen in der Gemeinde Wandlitz
Die Zusammensetzung in den Einrichtungen ändert sich kontinuierlich, sowohl hinsichtlich der Nationalitäten der Bewohnenden als auch der sozialen Faktoren wie Alter, Geschlecht, Familienstand. Ziel ist es, die zur Verfügung stehenden Wohneinheiten möglichst passgenau zu belegen und dabei auch die zum Teil individuellen Bedarfe der jeweiligen Personen/Personengruppen zu berücksichtigen.
Sven Lutherdt, Sozialkoordinator Wandlitz: „Nach meiner Einschätzung sind in Basdorf und Ützdorf hauptsächlich junge Männer untergebracht. In Wandlitz ist es gemischt: Familien, Frauen mit Kindern, Männer.“
Verweildauer in den Heimen der Gemeinde Wandlitz
Die Verweildauer in den Einrichtungen ist ebenfalls unterschiedlich. Im Schnitt beträgt sie rund ein Jahr, in Einzelfällen auch deutlich darunter oder darüber. Wie schnell Personen aus einem Übergangswohnheim in die Selbstständigkeit überführt werden können, ist von Faktoren wie der Verfügbarkeit von Wohnraum, persönlichen Bedarfen und Vorstellungen der betroffenen Personen abhängig.
Es gibt ja eine Bindung an den Wohnort/das Übergangswohnheim, wenn der Asylantrag gestellt und noch nicht entschieden ist. Diese Dauer der Entscheidung ist abhängig davon, wieviel die Zentrale Ausländerbehörde gerade zu tun hat, ob z.B. die Identität geklärt ist, ob es einen Widerspruch mit Klage etc. gibt. Wenn aber Asyl gewährt wurde, besteht Freizügigkeit (Wahl der Arbeit, Wahl des Wohnortes etc.). Dann lässt sich nicht mehr genau nachverfolgen, wann wer wohin umzieht. Erst wenn nach drei Jahren eine Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung ansteht, muss wiederum die Ausländerbehörde vor Ort kontaktiert werden.
Integrationsmaßnahmen wie Sprachkurse
Grundsätzlich steht Asylsuchenden in Deutschland in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Aufenthaltsstatus ein breites Spektrum an Integrationsmaßnahmen zur Verfügung. Personen, die sich im Rechtskreis des SGB II bewegen, haben Anspruch auf das gesamte Spektrum von Sprachkursen bis zur Integrationsförderung (siehe auch www.bamf.de/DE/Themen/Integration/integration_node.html). Hier sind v.a. die Träger der Maßnahmen die richtigen Ansprechpartner. Der Landkreis ist in Form des Grundsicherungsamtes neben der Unterbringung vordergründig für die soziale Beratung und Betreuung zuständig.
Integrationskurse werden von den Sprachkursträgern angeboten und in der Regel durch die Jobcenter zugewiesen. In Schönwalde und in Klosterfelde gibt/gab es niedrigschwellige Sprachkurse/Sprachcafés, welche von der Gemeinde Wandlitz mitfinanziert werden (hauptsächlich für Ukrainerinnen und Ukrainer). Das Angebot in Klosterfelde ist Ende 2022 ausgelaufen. Das Angebot in Schönwalde gibt es nach wie vor. Außerdem gibt es ein Sprachangebot im Übergangswohnheim Wandlitz, das mittlerweile im Pfarrhaus der evangelischen Kirche Wandlitz stattfindet. Die Gemeinde Wandlitz hat im vergangenen Jahr die Jobbörse für Geflüchtete sowie die Börse zum Leben, Lernen und Arbeiten mit Beratungsangeboten auf die Beine gestellt und eine Sprachprüfung A1 für „Selbstlerner“ angeboten. Es gab freien Eintritt für Geflüchtete im Strandbad und auch im Barnim Panorama. Zusätzlich gibt/gab es speziell für die Ukrainer*innen umfangreiche Angebote (z.B. Willkommenscafés) und einige besondere Veranstaltungen und Aktionen (Fahrt zum Zoo Eberswalde, Krabbelgruppe, Sport, Angebote für Kinder). Außerdem hat die Gemeinde Wandlitz den Spendentreffpunkt am Bahnhof Wandlitz eingerichtet und eine Notvorhaltung angelegt. Ansonsten stehen den Geflüchteten immer alle regulären sozialen und kulturellen Angebote sowie die Angebote der Vereine, Kitas, Schulen, Beratungsstellen etc. zur Verfügung.
Als besonderes Integrationsangebot muss man auch die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer betrachten, die Geflüchtete nach wie vor regelmäßig unterstützen.
Straftaten, Anwohnerbeschwerden, Polizeieinsätze in der Gemeinde Wandlitz
Dazu liegt nichts Verbindliches in der Gemeinde vor und konnte auch nicht anderweitig in Erfahrung gebracht werden. Im Amt wird ein – oder zweimal im Jahr von der Polizei angefragt, ob eine Person noch hier oder da wohnhaft sei. Aber das sind keine qualifizierten, statistisch unterlegten Fakten. Erfahrungsgemäß ist es rund um das Ãœbergangswohnheim Wandlitz sehr ruhig. Auch Bernd Kösters, Vorstand der Ehrenamtsagentur, erklärte gegenüber der MOZ vom 22.3.2023, dass für die drei Ãœbergangswohnheime keine signifikanten Auffälligkeiten der Kriminalität zu verzeichnen seien.
Vermittlungen in Arbeit und in Wohnungen
Auch hierzu gibt es keine konkrete Datenlage, da sich die betroffenen Personen zum Zeitpunkt der Vermittlung in eine eigene Wohnung nicht mehr in der Zuständigkeit des Grundsicherungsamtes, sondern im Rechtskreis des SGB II bewegen.
Kerstin Lietz vom „Runden Tisch Willkommen“ erläutert dazu: „So etwas wie ein ‚Buch‘ führen wir nicht, wir freuen uns über jeden Erfolg, über den berichtet wird. Wir tauschen unsere Erfahrungen aus, geben uns gegenseitig Unterstützung und packen einfach da an, wo es gerade notwendig ist. Natürlich sprechen wir auch über Probleme, die auftauchen, und versuchen Lösungen zu finden. Viele haben ihren Anteil an den kleinen Erfolgen, ich würde sagen, dass wir etwa dreißig Mal erfolgreich den Weg in eine Ausbildung oder in einen Beruf begleiten konnten.“ Auch für das geplante Übergangswohnheim in Klosterfelde hat sich inzwischen eine Gruppe von engagierten Bürgerinnen und Bürgern gebildet, von denen einige bereits über Erfahrungen mit der Arbeit in der Flüchtlingshilfe verfügen.
Menschen, die eine Anerkennung haben, können sich ganz normal bei Wohnungsverwaltungen anmelden und werden dann auch entsprechend bei freiwerdenden Wohnungen berücksichtigt. Der Wohnungsmarkt ist extrem angespannt. Grundsicherungsamt und Jobcenter übernehmen die Mietkosten nur bei Einhaltung bestimmter Miethöhe und Wohnquadratmeterzahl. Das schränkt das ohnehin begrenzte Wohnraumangebot zusätzlich ein.
Verbleib in der Gemeinde Wandlitz
Grundsätzlich ist die Vermittlung in eigene Wohnräume bzw. die Frage des Wohnortes immer auch von der jeweiligen Familienstruktur der Betroffenen abhängig: Wo wohnen beispielsweise Familienangehörige oder wo gibt es große Communitys verschiedener Nationalitäten?
Detailliert kann ich von den Geflüchteten aus der Ukraine in meinem näheren Umfeld Folgendes zu Aufenthaltsdauer und Verbleib von 15 Personen nach der Flucht vor dem Krieg in der Ukraine berichten:
- Familie mit einem Kleinkind, wohnt seit Ankunft noch bei einer Familie in Wandlitz, die eine separate Wohnung anbieten kann,
- Jugendliche (20) studiert online und wohnt mit Mutter (50) in einer Basdorfer Wohnung, Finanzen: ALGII, Aufenthalt bei Gastgebern für 6 Monate,
- Frau (72) wohnt in Einzimmerappartement in Werneuchen, Finanzen: Grundsicherung, da Rentnerin, Aufenthalt bei Gastgebern für 6 Monate,
- Ehepaar (52 und 63) wohnt in Eberswalde, Finanzen: ALGII bzw. Grundsicherung da Rentner, Aufenthalt bei Gastgebern für 6 Monate,
- Junge Erwachsene (30) arbeitet und wohnt in Berlin, vollständig aus sozialer Versorgung raus, Aufenthalt bei Gastgebern für 6 Monate,
- Junge Erwachsene (25), aktueller Verbleib unbekannt, wahrscheinlich noch in Berlin, Aufenthalt bei Gastgebern für 10 Tage,
- Zwei junge Erwachsene (18 und 21) inzwischen wieder in der Ukraine, Aufenthalt bei Gastgebern knapp 3 Monate,
- Mann (54) von vermittelnder Agentur, Quarteera, Bitte, ihn anderweitig unterzubringen, Verbleib unbekannt. Aufenthalt bei Gastgebern für 2 Wochen,
- Mann (47), Wohnung in Eberswalde und Grundsicherung, versucht aus gesundheitlichen Gründen in Berlin eine Wohnung zu finden, Aufenthalt bei Gastgebern 3 Monate,
- Mann (27) aus Russland, kämpft aktuell in Berlin um ein Bleiberecht, Aufenthalt bei Gastgebern 8 Tage.
Dass die oben erwähnten Ukrainer:innen eine Bleibe gefunden haben ist einerseits dem Wohlwollen einer Basdorfer Vermieterin und andererseits der Vermittlung des Amtes Eberswalde zu verdanken!
Weitere Lebenswege und der Verbleib Geflüchteter sind zusammengetragen in „Makel im Ausweis“ oder „Gast für zwei Wochen“, „Turbointergation“ oder „Migration im Barnim – brauchen wir mehr Empathie für Geflüchtete“.
Quellen:
- Pressestelle, Bereich des Landrates Landkreis Barnim
- Sozialbericht zum Tätigkeitsbericht des Landrates, Stand Februar 2023
- Sozialkoordinator Wandlitz
- Runder Tisch Willkommen, Flüchtlingshilfe in Wandlitz, www.willkommeninwandlitz.de
Verfasser:in:
Eva-Maria Dombrowski